Robe ’n‘ Roll: Bei den Oscars geht’s um Filme – aber oft stiehlt ihnen die Mode die Show

Bei den Oscars geht es um Filme, klar. Aber die Mode spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Wir zeigen eine Kleiderreise durch die Jahrzehnte – mit schrillen, glitzernden und königlichen Outfits. 

Die Wahl des richtigen Kleids? Ein Balanceakt. Gwyneth Paltrow riet einst Novizinnen, „nicht zu avantgardistisch aufzutreten“. Ein Tipp, den Jennifer Lawrence beherzigt, als sie 2011 zum ersten Mal bei den Oscars erscheint. Sie geht auf Nummer sicher und entscheidet sich für knalliges Rot, das schon vielen Schauspielerinnen weltweite Aufmerksamkeit beschert hat. Ihr Kleid ist schlicht, doch hat es einen tiefen Ausschnitt, der sie sexy und gleichzeitig wie das Mädchen von nebenan aussehen lässt. Kurze Zeit später erhält Lawrence die Hauptrolle in „Die Tribute von Panem“, ebenso einen Werbedeal mit einer Pariser Luxusmarke. Und gewinnt nur ein Jahr später den Oscar als beste Hauptdarstellerin in „Silver Linings“.

Als Angelina Jolie 1986 mit ihrem Vater, dem Schauspieler Jon Voight, zum ersten Mal die Oscars besuchte, trug sie eine weiße Spitzenrobe, die auch als Hochzeitskleid hätte durchgehen können. Jolie war zehn Jahre alt, noch war ihr Modegefühl durch die Bizarrheiten der Achtziger geprägt. Wie gut sie dennoch die Regeln des roten Teppichs beherrscht, zeigt sie, als sie sich später selbst als Schauspielerin etabliert. Die Exzentrik weicht aus ihrer Garderobe, dafür sorgt sie immer wieder mit ihrem skandalumwitterten Lebensstil für Aufsehen, zu dem Drogenkonsum, das Zerwürfnis mit ihrem Vater sowie drei gescheiterte Ehen samt Rosenkrieg gehören. Doch bei öffentlichen Auftritten wie den Oscars zählt nur eins: der Schein der Perfektion. So wie 2004, als sie sich wie eine griechische Göttin im weißen Satinkleid und langer Schärpe inszeniert.

Nicht immer gewinnt das schrillste Outfit die größte Aufmerksamkeit

Sie ist die Mutter der Protestmode: Weil sich Bette Davis 1935 für ihre Rolle im Film „Of Human Bondage“ („Der Menschen Hörigkeit“) übergangen fühlte, kritisiert sie im Folgejahr öffentlich die Preisvergabe-Politik der Filmstudios. Als Schauspielerin sei nicht ihr Können gefragt, sondern allein die Frage, ob sie in der Gunst der Filmbosse stehe. Als Zeichen ihrer Abhängigkeit zieht sie ein unförmiges Kleid an, das damals „eine Hausangestellte“ getragen hätte. Schauplatz von Protesten ist der rote Teppich in den Folgejahren selten, doch 2018 nutzen die Stars die optische Kraft ihrer Kleider und setzen ein Zeichen gegen Sexismus und Diskriminierung. In Anlehnung an die #MeToo-Bewegung und an den Protest gegen den Machtmissbrauch durch Harvey Weinstein rufen sie die „Time’s Up“-Initiative ins Leben. An ihren Sakkos und Kleidern prangt ein eindeutiges Zeichen: ein Protest-Pin.

Interview Blanchett Hoss 06.42

Lupita Nyong’o wird 2014 für ihre Nebenrolle in „12 Years a Slave“ ausgezeichnet und trägt ein eisblaues Chiffonkleid mit kleinen Kristallen. Man kürt sie zur schönsten Frau des Abends. Ihre Robe, die sogar einen eigenen Wikipedia-Eintrag besitzt, gilt als eine der elegantesten der Oscar-Geschichte. Als Vorlage diente ein Kleid von Elizabeth Taylor, die sich stets göttinnengleich mit großem Dekolleté und Wespentaille inszenierte. Was Nyong’os Look zeigt: Nicht immer gewinnt das schrillste Outfit die größte Aufmerksamkeit. Die größte Expertin für Schrillheit dagegen ist Cher. Zwar eckt die Sängerin seit den Sechzigern mit provokanten Looks an, doch sie sorgt dafür, dass die Oscar-Mode nicht in Gleichförmigkeit verfällt und an Reiz verliert. Gäbe es einen Mode-Oscar, Cher hätte ihn verdient.

94 Jahre Oscar-Geschichte: Die schönsten Roben zeigt der Bildband „Oscars – Glamour auf dem roten Teppich“ von Dijanna Mulhearn, Prestel Verlag, 59 Euro

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