Es sollte der große Konter werden – und wird nun zum Gespött. In ihrer Gegenrede zu Joe Biden hat Republikanerin Katie Britt dem Präsidenten krasse Vorwürfe gemacht. Nun stellt sich heraus: Sie bediente sich dabei einer dreisten Masche.
Die republikanische Antwort auf Joe Bidens Rede zur Lage der Nation wird immer mehr zum Gesprächsthema. Schon Auftritt und Präsentation der von der jungen Abgeordneten Katie Britt gehaltenen Gegenrede war intern als „Desaster“ gesehen worden (hier erfahren Sie mehr). Jetzt stellt sich heraus: Einer ihrer krassesten Vorwürfe gegen den Präsidenten hat schlicht gar nichts mit Biden zu tun.
Dabei geht es um das Lieblingsthema der Republikaner: die Sicherheit der Grenze und illegale Einwanderung. Britt bediente sich einer drastischen Geschichte, um die vermeintlichen Versäumnisse der Biden-Administration aufzuzeigen. Sie habe mit einer mexikanischen Staatsbürgerin gesprochen, die im Alter von zwölf Jahren von den Kartellen entführt, vergewaltigt und zur Prostitution gezwungen worden sei, erzählt Britt. Ihr harter Vorwurf: Bidens Politik sei direkt dafür verantwortlich. Das Problem: Die schreckliche Geschichte ist zwar tatsächlich passiert – aber vor 20 Jahren. Und nicht einmal in den USA.
PAID Analyse zu Bidens State of the Union7:44
Angriff auf Biden
Das deckte zuerst der Journalist Jonathan Katz auf. In einem am Freitag veröffentlichten Tiktok-Video berichtet er, wie er sich auf die Suche nach der jungen Frau machte, von der Britt auch schon in früheren Reden erzählt hatte. Tatsächlich wurde er fündig: Karla Jacinto Romero hat ihre Geschichte bereits häufiger erzählt, berichtete etwa bereits 2015 vor dem Außenpolitik-Kommitee des US-Sentats bei einer Sitzung zum Menschenhandel von ihren schrecklichen Erfahrungen. Doch selbst da waren sie bereits fast ein Jahrzehnt her.
Auch wo Britt die Geschichte gehört hatte, konnte Katz recherchieren. Demnach besuchte sie 2023 eine Veranstaltung an der Grenze zwischen Texas und Mexiko, wo auch Jacinto Romero sprach. Mittlerweile hat auch Britts Sprecher bestätigt, dass sich die Abgeordnete auf Jacinto Romero bezog. Dass sie mit dem Opfer gesprochen hatte, war also nicht gelogen.
Tragische Geschichte – ohne Bezug zu den USA
Der Zusammenhang mit Biden allerdings umso mehr. Als Jacinto Romero im Alter von zwölf Jahren entführt wurde, war Biden zwar seit langen Jahren Abgeordneter; Präsident wurde er aber erst fast 20 Jahre später: Die Entführung geschah bereits 2002, in Freiheit kam sie 2006. Die grauenhafte Gefangenschaft fand also komplett während der Präsidentschaft George W. Bushs statt. Auch der ist allerdings nicht dafür verantwortlich zu machen: Das Martyrium der Minderjährigen spielte sich ausschließlich in ihrer Heimat Mexiko ab.
Allerdings ging Britt bei der Rede geschickt vor. Sie weiß natürlich, dass ihre Geschichte keinen Zusammenhang mit der Biden-Administration hatte – und behauptet das daher auch gar nicht wörtlich. In ihrer Rede baut sie den Zusammenhang daher indirekt auf: Sie erzählt, dass sie die Grenze besuchte und mit einem Opfer sprach – was nachweislich stimmt. Dann geht sie ausführlich auf das schreckliche Schicksal Jacinto Romeros ein. Und betont letztlich, dass die USA mehr unternehmen müsse, um solche Verbrechen in den eigenen Grenzen zu verhindern – was die Biden-Administration zu wenig tue. Der Zusammenhang mit dem aktuellen Präsidenten wird also nur im Kopf der Zuhörer geknüpft.
Quellen:Offizielle Gegenrede der Republikaner, Jonathan Katz, Aussage Jacinto Romero vor dem Senat, Washington Post