Pressestimmen: Lokführer-Streik: „Was für eine Zumutung“

Im aktuellen Bahn-Streik ist der Ärger über Claus Weselsky, Chef der Lokführergewerkschaft GDL, besonders groß. Der hat jedoch Gründe, weshalb er auf die 35-Stunden-Woche besteht.

Die Einschränkungen im Fern-, Regional- und Güterverkehr der Deutschen Bahn aufgrund des Streiks der Lokführergewerkschaft GDL gehen am Freitag weiter. Zwar soll der Ausstand nur bis offiziell 13.00 Uhr andauern. Doch die Bahn werde den ganzen Tag über am eingeschränkten Grundangebot im Fernverkehr festhalten, teilte der Konzern mit. Lediglich jeder fünfte Zug ist dort derzeit unterwegs. Im Regional- und S-Bahnverkehr soll das Angebot hingegen bereits im Laufe des Freitags schrittweise wieder hochgefahren werden, hieß es. 

Der Streik der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) führt bereits seit Donnerstagmorgen zu weitreichenden Behinderungen im Bahnverkehr. Es ist der fünfte Ausstand im laufenden Tarifkonflikt und sollte im Personen- sowie Güterverkehr jeweils 35 Stunden dauern. Eine Einigung ist nicht in Sicht. Künftige Arbeitskämpfe will GDL-Chef Claus Weselsky deshalb mit deutlich weniger Vorlauf ankündigen. Für Fahrgäste nimmt die Ungewissheit auf der Schiene damit weiter zu.Stefan Schmalz Streikforscher Streikwelle15.40

Das Medienecho auf den Streik der Lokführer

Reutlinger General-Anzeiger: „Weselsky überzieht. Wenn die Bahn kein zuverlässiges Verkehrsmittel ist, läuft das den Zielen der Verkehrswende zuwider. Tausende Arbeitsplätze sind gefährdet. Und zwar dieser Menschen, für die er im Augenblick vorgibt, zu kämpfen. Aber auch hier gibt es eine positive Nachricht: Es ist Weselskys letzter Arbeitskampf.“

„Südwest Presse“ (Ulm): „Der Lokführer-Boss will keine Verständigung, er will seine Maximalforderung herausholen, er muss sie regelrecht bekommen. Der Grund: Mit 28 anderen Verkehrsunternehmen hat er einen Tarifvertrag über die schrittweise Einführung der 35-Stunden-Woche vereinbart. Allerdings kommen die Verträge nur dann zustande, wenn die DB sich ebenfalls auf diese Arbeitszeitverkürzung einlässt. Damit hat sich Weselsky selbst in eine Falle manövriert. Je mehr Zeit verstreicht, je mehr Streiks kommen, desto weniger wird er der Öffentlichkeit seinen Kampf vermitteln können.“

„Frankfurter Allgemeine Zeitung“: „Die Grünen wollen nicht beim Gedanken erwischt werden, dass Tarifautonomie und Streikrecht (…) womöglich anders ausgestaltet werden müssen. Auch Union und FDP wollten in der Vergangenheit verständlicherweise nicht in den Ruf der Arbeitnehmerfeindlichkeit geraten. Also überließ es der Gesetzgeber in parteiübergreifender Tatenlosigkeit den Gerichten, das Streikrecht auszugestalten – oder auch nicht. So aber kann es nicht weitergehen, und das nicht nur wegen des immensen volkswirtschaftlichen Schadens. Wenn Millionen Reisende wieder und wieder als Geiseln genommen werden, damit jemand das tarifpolitische Schlachtfeld als Sieger verlassen kann, dann können sich die Parteien von links bis rechts nicht länger um ihre Verantwortung für den Frieden und den Zusammenhalt der Gesellschaft herumdrücken.“

„Neue Osnabrücker Zeitung“: „Nicht zum ersten Mal drängt sich der Eindruck auf, dass die GDL unter dem Deckmantel der tariflichen Auseinandersetzung im Wettbewerb mit der deutlich größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG zeigen will, wer die stärkere Interessenvertretung der Bahnbeschäftigten ist. Da wundert es nicht, dass Teile der Öffentlichkeit und Politik immer lauter über Einschränkungen beim Streikrecht in Bereichen öffentlicher Daseinsvorsorge und Infrastruktur nachdenken. Sollte es in Zukunft so weit kommen, trüge Claus Weselsky dafür Mitverantwortung. Was für eine Zumutung.“

„Leipziger Volkszeitung“: „Der aktuelle Bahnstreik und diejenigen, die noch kommen werden, nerven die Menschen im Land auch deswegen, weil sie längst nicht mehr nachvollziehen können, worum es genau geht. Der Tarifkonflikt ist zu einer quälenden Auseinandersetzung der alternativen Fakten und Beleidigungen geworden. Schuld daran ist vor allem Weselsky, der eine Mischung aus unwahrer Öffentlichkeitsarbeit und Prinzipienreiterei betreibt; schuld daran ist aber auch Seiler, der ebenfalls nicht immer offen und eindeutig über den Stand der Verhandlungen informiert.“Weselsky-Reportage 20.11

„Frankfurter Rundschau“: „Claus Weselsky hat nur einen kleinen Kreis von Fans – mehr braucht er auch nicht. Als Chef der Lokführergewerkschaft muss er Verbesserungen für die GDL-Mitglieder erstreiten. Rücksicht auf die öffentliche Meinung nehmen? Für Weselsky ist das nebensächlich. In früheren Tarifkonflikten war das eine Stärke des GDL-Chefs. Er mochte als streitbar, als rücksichtslos gelten – egal, solange am Ende der Tarifrunde ein Lohnplus stand. Inzwischen macht es Weselsky nicht nur seinen Gegnerinnen und Gegnern schwer, sondern auch jenen, die mit ihm sympathisieren. Er hat den Vorschlag der beiden Moderatoren falsch dargestellt und so die Wellenstreiks begründet. Damit beschädigt Weselsky das Image des harten, aber ehrlich kämpfenden Gewerkschaftsführers, das er sich sorgsam aufgebaut hat. Tatsächlich hatten die beiden Moderatoren vorgeschlagen, die Wochenarbeitszeit auf 36 Stunden abzusenken – bei vollem Lohnausgleich. Das kommt der GDL-Forderung nach einer 35-Stunden-Woche schon sehr nahe.“

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