Ein 54-Jähriger räumt ein, hunderttausendfach Abbildungen sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen online verbreitet zu haben. Er habe aus Geldnot gehandelt. Das Gericht sieht das skeptisch.
Ein „Pauschalgeständnis“ kündigt die Verteidigung zum Prozessauftakt an. Der Mandant wolle alle Vorwürfe aus der Anklageschrift einräumen. Die wirft ihm vor, Hunderttausende Bilder und Videos ins Internet geladen zu haben, die schweren Missbrauch an Kindern und Jugendlichen zeigen. Weil sie millionenfach heruntergeladen wurden, habe der Mann damit gut 85 000 Euro verdient.
Auf Besitz und Verbreitung von kinder- und jugendpornografischen Schriften lautet die Anklage gegen den heute 54 Jahre alten Heilerziehungspfleger aus dem Münchner Umland. Allein für Besitz kinderpornografischer Schriften sieht das Strafrecht eine Haftstrafe zwischen einem und zehn Jahren vor.
Ungefähr anderthalb Terabyte Daten soll der Angeklagte hochgeladen haben – so viel, dass die Staatsanwaltschaft die Sichtung des Materials irgendwann einstellen musste, wie der Vorsitzende Richter, Francisco Sauter Orengo, am Eröffnungstag erklärt. Die anschließende Befragung vor der 4. Strafkammer des Landgerichts München II konzentriert sich erst einmal auf das Leben des Angeklagten und soll ausloten, inwiefern mildernde Umstände zum Tragen kommen. Der Angeklagte ringt mehrfach um Worte, setzt neu an. „Es ist mir sehr, sehr peinlich“, sagt er.
Ihm sei klar, dass er etwas „unglaublich Schlechtes getan“ habe. „Ich habe durch meine Taten diesen Menschen noch mal wehgetan.“ Der Richter hebt hervor, dass sich der Angeklagte im Zuge seiner Festnahme kooperativ verhalten habe, etwa indem er den Ermittlern Passwörter zu seinen Accounts mitteilte. Seit seiner Festnahme im Februar vergangenen Jahres sitzt er in der Justizvollzugsanstalt Stadelheim in Haft.
Nach der Trennung von seiner Frau Anfang der 2000er habe er begonnen, online pornografische Inhalte zu konsumieren, schildert der Angeklagte. Aufgrund einer angeborenen Nervenerkrankung lebe er sehr zurückgezogen mit zwei Katzen und sei fortan immer mehr in Richtung problematischer Inhalte abgedriftet und habe festgestellt, dass damit recht einfach Geld zu verdienen sei.
Das brauchte er, weil er einerseits seine Tochter, die in England lebe, finanziell unterstütze, andererseits weil er vor einigen Jahren in Geldnot geraten sei. Er sei spielsüchtig geworden und habe in Online-Casinos viele tausend Euro verloren, im Schnitt monatlich 500 bis 600 Euro. Auch habe ihm ein Phishing-Betrüger viel Geld abgenommen. Darum habe er zwei Kredite aufnehmen müssen, die zum Zeitpunkt seiner Festnahme im Februar 2023 noch nicht vollständig abbezahlt waren.
Bei den Angaben zur Spielsucht hakt Richter Sauter Orengo nach. Er zeigt sich skeptisch angesichts der Aussage, dass der Angeklagte es nach der gesetzlichen Einschränkung der Online-Casinos aus eigener Kraft geschafft habe, mit dem Spielen aufzuhören. „Wer spielen will, spielt immer irgendwo“, sagt er. Auch sei auffällig, dass die Spielausgaben nicht aus Kontounterlagen des Angeklagten hervorgingen. Er habe, legal und illegal, sehr gut verdient. Zudem hätte er als Alleinlebender mit relativ niedriger Miete sehr geringe Kosten. Es sei nicht ersichtlich, woher die Schulden rührten. Das Gericht müsse aufpassen, wie es die Einlassungen zur Spielsucht am Ende bewerte und ob es sie als potenziell strafmildernd berücksichtigen könne. „Ganz einleuchtend finde ich Ihre finanzielle Darstellung noch nicht“, kommentiert Sauter Orengo die Äußerungen.
Den ersten Verhandlungstag beschließen zwei Beamtinnen der Kriminalpolizei Fürstenfeldbruck, die als Zeuginnen den Ermittlungshergang schildern. Demnach wurden die Behörden durch eine internationale Kooperation auf die Aktivitäten des Angeklagten aufmerksam. Ein US-amerikanischer Provider hatte ein hochgeladenes Foto an die ebenfalls in den USA ansässige Organisation National Center for Missing and Exploited Children (NCMEC) gemeldet. Diese gab den Verdachtshinweis an das Bundeskriminalamt weiter.
Beim nächsten Verhandlungstermin am kommenden Montag wird ein IT-Forensiker der Kriminalpolizei Aussagen über die genaue Sichtung der Datenträger des Angeklagten machen. Insgesamt sind in den kommenden zwei Wochen vier weitere Verhandlungstermine anberaumt.