Einfach erklärt: Was sind Wellenstreiks und was bedeuten sie für Fahrgäste?

GDL-Chef Claus Weselsky hat „Wellenstreiks“ angekündigt. Was ist das besondere an dieser Taktik und was bedeutet sie für Arbeitgeber und Fahrgäste?

Bahnfahrer brauchen ab Donnerstag wieder einmal gute Nerven: Die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) hat neue Streiks angekündigt. Ihrem Chef Claus Weselsky zufolge, will die GDL im laufenden Arbeitskampf auf „Wellenstreiks“ setzen. Für Fahrgäste und die Bahn bedeutet das vor allem, dass sie sich deutlich schwieriger auf die Ausstände einstellen können. Die GDL wird die Ausstände nämlich nicht mehr wie bislang mindestens 48 Stunden vorher ankündigen. 

Wellenstreiks und ihre Dauer werden nämlich oftmals überhaupt nicht angekündigt. Sie betreffen zudem nicht den gesamten Betrieb. Die Arbeitsniederlegung erfolgt kurzfristig und nacheinander in einzelnen Abteilungen oder Schichten. Ebenso unmittelbar kann sie auch wieder beendet werden, wenn sie nichts mehr bewirkt – etwa, wenn im Fall der Bahn ein Notfahrplan für den betroffenen Bereich angelaufen ist. Ziel dieser Taktik ist es, überraschend und aufeinanderfolgend, also „wellenartig“, den Betrieb in verschiedenen Bereichen zu stören und dem Arbeitgeber die Planung von Abwehrmaßnahmen zu erschweren oder unmöglich zu machen. Reisende werden im Fall der GDL-Streiks von den Ausständen also im für sie ungünstigsten Fall ebenso überrascht wie die Bahn selbst. Gegenüber RTL sprach Weselsky jedoch zumindest davon, die Niederlegungen anzukündigen. Wie weit im Voraus sagte er jedoch nicht. 

STERN PAID Interview Weselsky16:47

Wellenstreiks gab es bei der Bahn noch nicht

Wie die Gewerkschaft Verdi auf ihrer Webseite mitteilt, sah die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) bei Wellenstreiks bislang „vorrangig das Ziel, mit einer möglichst kleinen Anzahl von Arbeitnehmern mittelbar möglichst große Schäden für die Arbeitgeberseite zu verursachen“. Eine Folge sei, dass der Arbeitgeber nach Beendigung der Maßnahme nicht verpflichtet sei, die wieder angebotene Arbeitskraft bis zum Ende einer Schicht anzunehmen und zu vergüten. Mit einer Ersatzmannschaft von Streikbrechern einen Notfahrplan während eines Streiks einzurichten und zu bedienen, könnte nach dieser Lesart einer zulässige Abwehrmaßnahme der Arbeitgeberseite sein. Es gelten die Grundsätze des Arbeitskampfrisikos. 

GDL Streik Erfolge 1635

„Entgeltansprüche der Arbeitnehmer, die nach Beendigung des Wellenstreiks ihre Arbeitskraft angeboten haben, entfallen allerdings nur dann, wenn es sich nicht um vorbeugende Maßnahmen des Arbeitgebers handelt, die über die reine Gegenwehr hinausgehen und den Rahmen des Arbeitskampfes erweitern“, heißt es bei Verdi weiter. Das bedeutet: Will die Bahn beispielsweise vorsorglich mit einer Ersatzmannschaft einen bestimmten Bereich bedienen, weil sie dort Streiks befürchtet, befreit sie das nicht von der Lohnfortzahlungspflicht. 

Laut Verdi haben Wellenstreiks in Deutschland in der Vergangenheit vor allem in der Zeitungs- und Zeitschriftenproduktion eine Rolle gespielt. Im englischsprachigen Raum werden Wellenstreiks als „Rolling Strikes“ bezeichnet. In England kamen sie in der Vergangenheit etwa im Bergbau zum Einsatz, in den USA im vergangenen Jahr in der Automobilbranche. Bei der Bahn gab es Streiks in dieser Form laut Personalchef Martin Seiler bislang noch nicht. Die Bahn nannte sie eine „blanke Zumutung“ für ihre Fahrgäste. 

Quellen:Verdi, Haufe, RTL

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