Bundeswehr: Pistorius für schwedisches Wehrpflichtmodell: Darf der Verteidigungsminister unsere Kinder mustern?

Verteidigungsminister Boris Pistorius macht sich seit Monaten dafür stark, die Wehrpflicht wieder einzuführen. Eine Idee, um das Personalproblem der Bundeswehr zu lösen: die Musterung von Schülern.

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) ist am Dienstagmorgen nach Skandinavien gereist. Im Gepäck hat er Fragen an seinen schwedischen Amtskollegen. Er will wissen, wie die Wehrpflicht im Land funktioniert. Bis zum 1. April hat sein Ministerium „Optionen für ein deutsches Wehrdienstmodell vorzulegen, das bedrohungsangepasst auch kurzfristig skalierbar einen Beitrag zur gesamtstaatlichen Resilienz liefert“, wie der „Spiegel“ aus einem internen Papier zitiert.

Pistorius will noch vor der nächsten Bundestagswahl, die voraussichtlich im September 2025 stattfinden wird, einen eigenen Vorschlag für ein Wehrpflichtmodell vorlegen. Laut „Spiegel“ steht schon in der Einleitung zu dem internen Dokument: „Der Bundesminister beabsichtigt eine Richtungsentscheidung zur Wehrpflicht noch in dieser Legislaturperiode.“

Wehrpflicht: Das Personalproblem der Bundeswehr

Derzeit leisten 181.596 Soldatinnen und Soldaten Dienst in den Streitkräften. Davon sind 56.706 Berufssoldaten, 115.221 Zeitsoldaten und 9.669 Freiwillig Wehrdienstleistende. Zum Ende des Jahres 2022 waren in der Bundeswehr über 18.000 Unteroffizier- und Offizier-Dienstposten nicht besetzt.

Das Personalproblem der Bundeswehr besteht seit Jahren. Seitdem die allgemeine Wehrpflicht 2011 ausgesetzt wurde, versucht das Verteidigungsministerium mit Karrierecentern, Kampagnen oder dem „Tag der Bundeswehr“ neues Personal zu finden.

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Schon 2016 verkündete die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) die „Trendwende Personal“. Das bis 2031 ausgeschriebene Ziel: eine Armee mit 203.000 Beschäftigten. Doch allein 20.000 Neueinstellungen bräuchte es jährlich, um nur die Zahl der Abgänge auszugleichen. 2022 waren es gerade mal 18.775 neue Soldaten.

Wehrpflicht: Das schwedische Modell als Lösung

Auf seiner Reise nach Schweden will Pistorius sich über das dortige Wehrpflicht-Modell informieren – ein Konzept, das im mittlerweile regierungstrotzigen Deutschland für Aufregung sorgen dürfte: In Schweden werden Jahr für Jahr alle (teilweise jugendlichen) Schulabgänger gemustert. Der Unterschied zur alten deutschen Wehrpflicht: Nur der Kontakt zur Armee ist zwingend, entscheiden darf der junge Mensch am Ende selbst. Zuletzt konnte das skandinavische Land auf diese Weise genug Freiwillige für die Armee gewinnen.

Laut „Spiegel“ ist eine einfache Übernahme dieses Modells hierzulande aber kaum möglich. In Schweden entscheidet sich ein Zehntel der angesprochenen Schüler für eine Militärkarriere. In Deutschland läge dieser Anteil bei 40.000 Personen. Die Kapazitäten hierzulande lägen bei 3000 oder 4000 Wehrpflichtigen, sagte Pistorius bei einer Veranstaltung am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz. Mittlerweile hat sich Pistorius auch zu den Informationen des „Spiegel“ geäußert: Das Medium sei besser informiert als er selbst. Es gebe keine zeitliche Festlegung für die Reform.

Das Problem der Wehrgerechtigkeit

Ein Problem hätte Pistorius mit der Übernahme des schwedischen Modells aber ohnehin: In Deutschland gilt eine verfassungsmäßige Wehrgerechtigkeit – das heißt, dass die Last der Landes- und Bündnisverteidigung allen männlichen Staatsbürgern möglichst gleichmäßig auferlegt werden soll. Dies wäre bei einer „freiwilligen Wehrpflicht“ nicht gegeben – und eine langwierige Änderung dieses Gebots wäre nötig.

Aber auch wenn die Rückkehr zur Wehrpflicht schwierig umzusetzen sein wird: Neben den wachsenden Aufgaben der Bundeswehr ist auch der Krieg in der Ukraine ein Umstand, der den Druck auf den Verteidigungsminister erhöht. Noch ist die Bundeswehr eine Freiwilligenarmee. Das Ende der Dienstpflicht gilt jedoch ausschließlich in Friedenszeiten. Im Spannungs- oder Verteidigungsfall könnte sie wieder aktiviert werden – ohne große Hürden.

Quellen: „Spiegel“, Bundeswehr, „Tagesschau“

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