Tausende Trauernde nehmen trotz Kreml-Warnungen Abschied von Nawalny

Trotz Warnungen des Kremls haben am Freitag tausende Menschen von dem in Haft gestorbenen Kreml-Kritiker Alexej Nawalny Abschied genommen. Die Trauernden versammelten sich vor einer Kirche im Bezirk Marjino im Südosten Moskaus, in der die Zeremonie für den prominenten Oppositionellen stattfand. Im Beisein einiger seiner Angehörigen wurde Nawalny danach auf dem nahegelegenen Borisowski-Friedhof beigesetzt, wie AFP-Reporter berichteten. Eine in der Nähe des Friedhofs versammelte Menschenmenge skandierte Slogans wie „Nein zum Krieg“.

Der Leichenwagen mit dem Sarg des prominentesten Widersachers von Russlands Präsident Wladimir Putin war kurz vor Beginn der Trauerfeier unter dem Beifall der dort versammelten Menge an der Kirche eingetroffen und von vier Sargträgern in das Gotteshaus gebracht worden.

Auf dem Platz vor der Kirche waren Absperrungen aus Metall aufgebaut, ein Großaufgebot von Sicherheitskräften war vor Ort. Einige der Trauernden hatten Blumen dabei. Unter den dort versammelten Menschen waren auch der deutsche Botschafter Alexander Graf Lambsdorff, sein französischer Kollege und die US-Botschafterin sowie die russischen Oppositionspolitiker Jewgeni Roisman, Boris Nadeschdin und Jekaterina Dunzowa.

An der Trauerfeier in der überfüllten Kirche nahmen auch Nawalnys Eltern teil. Zunächst blieb Nawalnys Sarg beim Gottesdienst geöffnet, wurde aber unmittelbar danach geschlossen. So konnten viele Trauernde dem Oppositionspolitiker nicht wie erhofft am offenen Sarg die letzte Ehre erweisen.

„Wir werden dich nicht vergessen“ und „Vergib uns!“, riefen einige der Trauernden, als der Sarg anschließend zur Beerdigung am Borisowski-Friedhof nahe des Moskwa-Ufers eintraf. Mehrere große Kränze waren um das Grab drapiert. 

Nawalny sei zu den Klängen des Soundtracks von „Terminator 2“ beigesetzt worden, den der Kreml-Kritiker für den „besten Film aller Zeiten“ gehalten habe, erklärte seine Sprecherin Kira Jarmisch. „Auf Wiedersehen, mein Freund“, schrieb der Nawalny-Unterstützer Iwan Schdanow im Onlinedienst Telegram. 

In einer Abschiedsbotschaft in den Onlinenetzwerken dankte Nawalnys Witwe Julia ihrem Mann für „26 Jahre absolutes Glück“. „Ich weiß nicht, wie ich ohne dich leben soll, aber ich werde mein Bestes tun, damit du dort oben glücklich und stolz auf mich sein kannst“, sagte sie. 

Nach der Beisetzung bekundete eine Menschenmenge in der Nähe des Friedhofs ihren Protest gegen die vor mehr als zwei Jahren von Russland gestartete Militäroffensive gegen die Ukraine. „Nein zum Krieg“ und „Wir werden nicht verzeihen“, skandierten die dort versammelten Nawalny-Anhänger.

Das Team des Kreml-Kritikers hatte nach eigenen Angaben Schwierigkeiten, einen Ort für den Trauergottesdienst zu finden. Zudem hatten sich demnach mehrere Bestattungsunternehmen geweigert, den Leichnam des Oppositionspolitikers zu transportieren.

Der Kreml warnte vor Beginn der Trauerfeier vor der Teilnahme an „nicht genehmigten“ Versammlungen. Wer an einer solchen Kundgebung teilnehme, werde „gemäß dem geltenden Recht zur Verantwortung gezogen“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow der Nachrichtenagentur Tass.

„Wovor haben sie Angst? Warum so viele Autos?“, fragte die Nawalny-Anhängerin Anna Stepanowa vor der Kirche mit Blick auf die Einsatzfahrzeuge der Polizei. „Die Leute, die hierher gekommen sind, haben keine Angst. Alexej hatte auch keine.“

„Wir haben keine Politiker wie ihn mehr und niemand weiß, wann wir wieder welche haben werden“, sagte die 55-jährige Maria. Sie empfinde „Angst und Trauer“. Der 26-jährige Denis gab an, dass Nawalny der Grund sei, warum er begonnen habe, sich politisch zu engagieren.

Nawalnys Witwe hatte am Mittwoch vor möglichen Polizeiaktionen während der Trauerfeier gewarnt. „Ich weiß nicht, ob es eine friedliche Beerdigung wird, oder ob die Polizei Menschen festnehmen wird, die sich von ihm verabschieden wollen“, sagte Nawalnaja im Europaparlament. Nach Angaben der russischen Menschenrechtsgruppe OWD-Info wurden seit Nawalnys Tod bereits 400 Menschen bei Trauerkundgebungen für den Kreml-Kritiker festgenommen.

Nawalny war nach Angaben der russischen Behörden am 16. Februar in einer russischen Strafkolonie in der Arktis gestorben, wo er eine 19-jährige Haftstrafe absaß. Den Angaben zufolge starb er eines „natürlichen Todes“, die genauen Umstände sind allerdings weiter unklar. 

Die Anhänger Nawalnys und zahlreiche westliche Politiker machen die russische Führung und Kreml-Chef Putin für den Tod des 47-Jährigen verantwortlich. Moskau weist die Anschuldigungen zurück. Kreml-Sprecher Peskow sagte am Freitag, er habe Nawalnys Familie „nichts zu sagen“.

Nach Nawalnys Tod hatten sich die Behörden acht Tage lang geweigert, den Leichnam an dessen Angehörige zu übergeben. Diese vermuteten dahinter den Versuch, die Beteiligung der Behörden an dessen Tod „zu vertuschen“. 

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