Bezahlkarte: Hurra! Die Migrationskrise ist beendet. Also fast

Die Politik diskutiert über Bezahlkarten und Arbeitspflichten für Asylbewerber. Kann man machen – aber doch nicht so. 

Es spricht nichts dagegen, wenn Asylbewerber einen Teil ihrer Leistungen über eine Bezahlkarte erhalten. Oder wenn sie den Garten ihrer Unterkunft pflegen. Oder Schnee schippen.

Es kann sogar große Vorteile geben: Bevor der grüne Bürgermeister in Hannover im Dezember eine Bezahlkarte einführte, mussten sich die Asylbewerber bei den Behörden in die Schlange stellen. Den sogenannten Verpflichtungsschein, den sie dort bekamen, trugen sie zur Sparkasse, wo sie den Schein dann in Geld umtauschten. Heißt: Die Bezahlkarte bringt Entlastung und Vereinfachung für alle. Sechs Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter können sich in Hannover nun um andere Aufgaben kümmern.

Interview Onay Bezahlkarte13:29

Davon allerdings sind die Diskussionen, die im Moment geführt werden, weit entfernt. Denn der Tenor ist: Es brauche eine Bezahlkarte, um zu verhindern, dass Asylbewerber Geld in Deutschland abgreifen und in die Heimat überweisen – oder sogar Schulden bei Schleppern davon abbezahlen. Selbst aus dem vom Grünen Robert Habeck geführten Wirtschaftsministerium heißt es nach einer Einigung zwischen den Ministerien am Donnerstag: „Die Bezahlkarte ist sinnvoll, um zu verhindern, dass Geld ins Ausland überwiesen wird.“

Bei der sogenannten „Arbeitspflicht“ gibt es eine ähnliche Argumentation: Asylbewerber sollen durch eine Verpflichtung zur Arbeit endlich etwas an Deutschland zurückgeben. Die finanzielle Unterstützung vom Staat, so der Präsident des Deutschen Landkreistags von der CDU, dürfe nicht bedingungslos sein.

Die Debatte um die Bezahlkarte hat wenig mit der Realität zu tun

Die Debatte ist geprägt von bösen Unterstellungen und Stimmungsmache, hat aber wenig mit der Realität zu tun. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass Asylbewerber große Teile der 182 Euro für den „persönlichen Bedarf“, die sie in den ersten Monaten nach der Ankunft erhalten, aus dem Land schaffen. Gibt es eine Person, die das unbedingt tun will, wird sie wohl auch mit Bezahlkarte einen Weg finden: Vielleicht kauft sie etwas im Laden, tauscht es um und lässt sich den Umtausch in bar auszahlen. Aber einen Generalverdacht auszusprechen, damit sogar Politik zu begründen, ist falsch.

Arbeitspflicht Rechtsfragen6.10

Auch die Debatte um sogenannte Arbeitspflichten ist seltsam verzerrt. Es ist nicht so, dass die Mehrheit der Asylbewerber nicht arbeiten will. Vielmehr dürfen sie oft nicht – wegen der gesetzlichen Regelungen. Es braucht also keine Pflicht, sondern die Möglichkeit. Hier sind die eigentlichen Probleme, die die Politik endlich effektiver beheben muss: Asylverfahren beschleunigen, damit diejenigen, die bleiben dürfen, schneller arbeiten können.

Aus Angst vor der AfD aber entscheiden sich im Jahr, in dem drei Landtagswahlen in Ostdeutschland anstehen, die Beteiligten für den vermeintlich einfacheren Weg: Debatten über Scheinprobleme. Hauptsache suggerieren: Wir greifen jetzt hart durch. Vielleicht mag das kurzfristig für den ein oder anderen funktionieren. Langfristig können wir als Gesellschaft aber nur verlieren. 

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