Reisebranche: Wie schlecht steht es um die FTI Group – und sollte man dort buchen?

Der Reiseveranstalter FTI steht unter großem finanziellen Druck. Reisebüros sind inzwischen vorsichtig und bieten die Urlaube nur noch auf Kundenwunsch an. Was im Falle einer Insolvenz passiert und was jetzt bei der Planung sinnvoll ist.

Disclaimer C free aktuell

Wie schlecht geht es dem drittgrößten deutschen Reiseveranstalters FTI wirklich? Seit Jahren ist die finanzielle Lage angespannt, immer wieder wird über mögliche Investoren spekuliert. Nun stellen Wirtschaftsprüfer im neuen Jahresabschluss zum wiederholten Mal die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens infrage und erhöhen damit den öffentlichen Druck.

FTI versucht den Berichten über eine drohende Insolvenz entgegenzusteuern, mit Mitteilungen über künftige gute Umsätze und Fortschritte bei Investorengesprächen. Doch echte Sicherheit verspricht nichts davon, weder für die Reisebüros, die auf Provisionen angewiesen sind noch für Verbraucherinnen und Verbraucher, die sich fragen, was nun mit ihren Urlaubsreisen passiert.

FTI sucht nach Ausflüchten

Wer sich in diesen Tagen mit Fragen an FTI wendet, der bekommt schnell Antwort. Es gebe gerade so viele und auch „gezielt gestreute Gerüchte“ im Markt, „deshalb danken wir Ihnen sehr für Ihre Fragen“, schreibt eine Sprecherin des Unternehmens Capital. Auf die konkreten Fragen – zur Finanzlage, zu einer möglicherweise drohenden Insolvenz und dazu wie sicher bereits gebuchte Reisen sind – antwortet sie nicht, sondern allgemein: den Wettbewerbern sei es in der Coronazeit ja auch nicht besonders gut gegangen.

Der Unterschied zwischen FTI und Branchenkonkurrenten wie dem größten deutschen Veranstalter Tui ist jedoch, dass die Tui ihre Staatsschulden bereits vollständig zurückgezahlt hat und bei FTI weiterhin hunderte Millionen Euro Verbindlichkeiten in der Bilanz stehen, auch wenn nach eigenen Angaben mit der Tilgung begonnen wurde. Die Tui konnte außerdem ihre Eigenkapitalquote mithilfe der Aktionäre wieder auf ein gesundes Niveau heben, während FTI im Herbst 2022 gerade mal 2,4 Prozent an Eigenkapital auswies. 

STERN PAID 6_24 Neuer Ärger bei itravel 06.23

Das ist nicht nur für Finanzexperten relevant, sondern auch für Verbraucher. Denn die Eigenkapitalquote gibt Hinweis darauf, wie es um das Ausfallrisiko eines Unternehmens bestellt ist – bei FTI ist es gerade offenbar hoch. Wie der neue Abschluss nahelegt, scheinen es hauptsächlich hohe Kredite zu sein, die das Unternehmen noch vor der Pleite bewahren. Im neuen Jahresabschluss heißt es, die Zahlungsfähigkeit von FTI „konnte im abgelaufenen Geschäftsjahr nur durch Gesellschafterbeiträge, regierungsgestützte Darlehen und stille Einlagen sowie Kreditvereinbarungen mit Banken sichergestellt werden“.

FTI schrieb am Mittwoch in einer E-Mail an alle Reisebüros, die Capital vorliegt, dass sich Medienberichte „auf ‚alte‘ Zahlen berufen“ und die Umsätze aktuell steigen würden. Dass das hohe Ausfallrisiko aber real ist, zeigt sich darin, dass FTI beim Deutschen Reisesicherungsfonds DRSF gerade die maximale Sicherheitsleistung von neun Prozent hinterlegen muss. Das bestätigte der Veranstalter gegenüber Capital. 

Pauschalreisen sind über den DRSF abgesichert

Der DRSF ist zugleich die gute Nachricht für alle, die schon Reisen über FTI gebucht haben und sich nun vor einer Insolvenz fürchten. „FTI ist über den Deutschen Reisesicherungsfonds gegen Zahlungsunfähigkeit abgesichert“, teilt der Deutsche Reiseverband DRV Capital dazu mit. Auch die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen verweist darauf, dass Zahlungen für Pauschalreisen in der Regel abgedeckt sind – selbst wenn der Urlaub ausfällt.

Der DRSF springt auch bei Reisen ein, die jetzt noch über FTI neu gebucht werden. Allerdings sind viele Reisebüros dabei aktuell zurückhaltend, wie Marija Linnhoff vom Verband unabhängiger selbstständiger Reisebüros (VUSR) im Gespräch mit Capital sagt. Sie hatte FTI nach eigener Aussage vor wenigen Tagen dazu aufgefordert, Klarheit über die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens zu schaffen. „Die Kolleginnen und Kollegen in den Reisebüros haben angefangen mich zu fragen, ob sie FTI noch verkaufen können“, sagt Linnhoff. „Im vergangenen Jahr hatten sie alle noch verkauft, aber jetzt passiert das oft nur noch auf ausdrücklichen Wunsch des Kunden.“

STERN PAID 08_24 Kolumbien Reise   16.30

Der Grund dafür ist auch, dass viele Büros um ihre eigene Provision fürchten. Linnhoffs Einschätzung nach laufen FTI-Buchungen aktuell deshalb vorrangig über die eigenen Reisebüros von FTI, zu denen unter anderem „Sonnenklar“ gehört, und über Portale wie zum Beispiel Check24. Bei diesen würden Kundinnen und Kunden oftmals gar nicht wissen, welcher Veranstalter hinter der gebuchten Reise steht, was dann später für Verunsicherung sorge.

„Spätestens zum Zeitpunkt der Buchung muss der Vertragspartner genannt werden“, schreibt dazu die Verbraucherzentrale NRW auf Capital-Anfrage. „Verbraucherinnen und Verbraucher sollten hierauf achten, wenn sie wert auf einen bestimmten Veranstalter legen.“

Linnhoff wünscht sich Klarheit für Reisebüros und Kunden. Doch nicht nur ihr scheint offenbar zunehmend klar zu werden, dass den Veranstalter seine extrem günstigen Angebote, mit denen er jahrelang viele Kunden überzeugt hat, nun möglicherweise an den Rande des Ruins gebracht haben. Die Suche nach einem Investor läuft bereits seit vergangenem Jahr, auch die ägyptische Haupteignerfamilie Sawiris ist offenbar nicht bereit, noch mehr Geld ins Unternehmen zu stecken. 

In seiner neuesten Mitteilung gesteht FTI ein, dass die Investorensuche nicht einfach ist: „Der Prozess ist bei einem Unternehmen mit mehr als 4 Mrd. Euro Umsatz und 120 einzelnen Gesellschaften, von denen viele im Ausland sind, komplex, macht aber guter Fortschritte.“ Die Konkurrenz wird dafür wohl wenig Mitleid übrig haben.

Verwandte Beiträge