Podiumsdiskussion: „Glaubwürdigkeit überprüfen“: Habeck nimmt Söders Atom-Forderung auseinander

Fünf Minuten Argumente: Robert Habeck hat auf einer Podiumsdiskussion Markus Söder und dessen Kernenergie-Forderung mit vielen Fakten reagiert. „Schlagabtausch um Atomkraft entlarvt CSU-Populismus“, titelte eine Zeitung.

Ein Ausschnitt einer Diskussion zwischen Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und dem Bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder sorgt für Aufsehen in den sozialen Netzwerken. Die beiden Politiker trafen am Mittwoch auf der Internationalen Handwerksmesse auf dem Podium aufeinander. Im Verlauf des Gesprächs forderte Söder erneut die Nutzung der Kernenergie in Deutschland aus Preis- und Klimaschutzgründen und führte an: „In Frankreich macht man’s, in Tschechien macht man’s, in Schweden macht man’s, irgendwie machen es alle.“ 

Daraufhin setzte Habeck zu einer fast fünf Minuten langen Gegenrede an und nahm die Söders Argumentation gleich von mehreren Seiten auseinander:

So sei es Söder selbst gewesen, der sich nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima vehement für den deutschen Atomausstieg eingesetzt habe. „Ich glaube, Sie haben damals mit Rücktritt gedroht, wenn das nicht sofort passiert.“ Elf der einst 14 in Deutschland bestehenden Atomkraftwerke seien unter einer von der Union geführten Bundesregierung abgeschaltet worden. „Es wäre also glaubhafter, wenn man sagen würde, da haben wir (die Union, Anm. d. Red.) einen Fehler gemacht, (…) wenn man denn so scharf auf Atomkraft ist.“

Auch das Argument, dass Schweden auf die Nutzung der Kernenergie setze, ließ Habeck aus Söders Mund nicht gelten. Die dortige Regierung plane, ihren Atommüll im eigenen Land zu lagern. Es sei „schwierig“, wenn der bayerische Ministerpräsident sich für Atomkraft ausspreche, „aber gleichzeitig Bayern das einzige Land ist, das sagt: Wir wissen schon vorher, bevor die Prüfung durch ist, nicht bei uns!“ In Richtung Söder sagte Habeck: „Es muss halt jeder seine eigene Glaubwürdigkeit immer wieder überprüfen.“Der immer wieder vorgebrachte Aussage, dass die deutsche Energieversorgung unter anderem von französischem Atomstrom abhängig sei, widerlegte Habeck. Dieser habe am Volumen des deutschen Stromverbrauchs einen durchschnittlichen Anteil von 0,5 Prozent. „Das ist homöopathisch.“ Deutschland habe jederzeit die Möglichkeit, diese Menge zu produzieren. Die Strategie, günstige Energie aus erneuerbaren Quellen zu nutzen und diese bei bedarf durch deutsche Kohle- und Gaskraftwerke zu ergänzen, gehe auf.

Atomkraft-Ära Fotostrecke 08.37

Die französische Atomwirtschaft sei überdies eine schlechte Blaupause. Der staatliche französische Atomkonzern EDF subventioniere die Strompreise bei unseren Nachbarn und habe so einen Schuldenberg von rund 70 Milliarden Euro angehäuft. Deutsche Energieunternehmen wären bei solch einem Schuldenberg „alle insolvent“, erklärte Habeck. Zudem müssten in Frankreich ungefähr 50 Atomkraftwerke renoviert werden, jeweils ungefähr für eine Milliarde Euro. Und auch der Neubau von Kernkraftwerken sei alles andere als preiswert. So sollte ein in Großbritannien geplantes Atomkraftwerk 38 Milliarden Euro kosten. Inzwischen habe sich bereits ein chinesischer Co-Investor aus dem Projekt verabschiedet, „weil er gesagt hat: Das ist ein Milliardengrab. Wenn da die Kilowattstunde Strom rauskommt, wird das die teuerste Kilowattstunde Strom sein, die in Europa produziert wurde.“ Habecks Fazit: „Ökonomisch geht das alles nicht auf.“

Die Argumente Habecks halten einer Überprüfung stand, insofern fällt das Urteil für Markus Söder nach der Diskussion vernichtend aus. „Schlagabtausch um Atomkraft entlarvt CSU-Populismus“, titelte beispielsweise die „Frankfurter Rundschau“. „Habeck zerlegt Söder mit Fakten“, schrieb der „Münchner Merkur“. „Business Insider“ meinte: „In diesen fünf Minuten zerpflückt Robert Habeck die Argumente von Bayerns Regierungschef Markus Söder.“ Auch in den sozialen Netzwerken erhielt der grünen-Politiker für seinen Auftritt viel Zuspruch.

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