Mittagsschlaf: Echter Traum-Job: Bei diesen Firmen dürfen Sie am Arbeitsplatz schlafen

Der Mittagsschlaf im Job ist in Deutschland verpönt: Wer schläft, erbringt keine Leistung, lautet das Credo. Dabei kann Schlafmangel den Arbeitgeber sogar Geld kosten – weshalb einige Unternehmen das Nickerchen mittlerweile sogar fördern.

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Viele berühmte und erfolgreiche Menschen sollen nur wenige Stunden Schlaf pro Nacht benötigt haben, etwa die britische Premierministerin Margaret Thatcher, der Philosoph Voltaire oder Komponist Wolfgang Amadeus Mozart. Und auch heute noch gilt es unter Führungskräften als Zeichen der Stärke, wenn sie mit wenig Schlaf auskommen, ganz nach dem Motto: Wer wenig schläft, kann mehr Leistung bringen. 

Doch diese Annahme ist falsch, wie die Schlafforschung längst herausgefunden hat. Bei Schlafmangel lässt die Konzentration nach. Guter Schlaf indes kann die Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden steigern. In Zeiten ständiger Erschöpfung und moderner Arbeitskultur wird das Schlafen auch am Arbeitsplatz zum Thema. Mehr als die Hälfte der Deutschen würde gerne einen Mittagsschlaf machen, und Unternehmen haben erkannt, dass sie davon durchaus profitieren können. Zumindest manche. Auch einige deutsche Firmen wollen deshalb das Nickerchen am Arbeitsplatz ermöglichen.

Schlafstörungen kosten die USA 200 Milliarden Dollar

In Japan ist ein Nickerchen längst gängige Praxis, genauer gesagt: eine Form des oberflächlichen Kurzschlafs. Er heißt „Inemuri“, was sich aus den Wörtern für „anwesend sein“ und „Schlaf“ zusammensetzt. „Inemuri“ ist nicht nur in der Pause auf der Parkbank erlaubt, sondern auch in Konferenzen. Hierzulande würde das wohl große Empörung auslösen. „Meiner Erfahrung nach würde sich kaum jemand trauen zu sagen: ‚Ich könnte jetzt ein Nickerchen gebrauchen‘“, sagt Tina Ruseva im Gespräch mit Capital. Sie ist Co-Gründerin des Bundesverbands New Work, der sich für die Transformation der Arbeitswelt einsetzt. „Auch wenn gerade alle ziemlich erschöpft darniederliegen, sind wir immer noch eine Leistungsgesellschaft. Es geht darum, wie engagiert und motiviert man ist und wie sehr man es verdient, in seiner Position zu sein.“

Dabei könnte Schlaf die nötige Motivation und Leistungsfähigkeit sogar fördern, denn er nimmt großen Einfluss auf unsere kognitiven Fähigkeiten. Wer dauerhaft zu wenig schläft, ist tagsüber weniger produktiv, braucht länger für Aufgaben und macht eher Fehler. Eine Studie des Thinktanks Rand Europe zu den Auswirkungen chronischer Schlafstörungen hat gezeigt, dass sie zu einem durchschnittlichen Verlust der Arbeitszeit von über 50 Tagen führen können – und damit ordentlich Geld kosten. Für das Bruttoinlandsprodukt der USA beispielsweise bedeutet die geringere Arbeitszeit demnach einen Verlust von rund einem Prozent pro Jahr und damit mehr als 200 Mrd. US-Dollar. Für Deutschland errechnet die Studie einen Verlust von 0,73 Prozent und rund 30 Mrd. Dollar.

Geschätzter BIP-Verlust im Jahr 2019 im Zusammenhang mit chronischen Schlafstörungen
© Rand Europe

Ein Arbeitgeber sollte also durchaus Interesse daran haben, dass seine Mitarbeitenden gut schlafen – damit sie langfristig gesund bleiben. Schließlich kann Schlaf auch Krankheiten wie Diabetes und Depressionen vorbeugen und das Herzinfarkt-Risiko senken. Im Tiefschlaf werden Erlebnisse verarbeitet, neue Synapsen im Gehirn gebildet und Energiereserven aufgetankt.

Wo gibt es schon eine „Official Nap Time“?

Die Telekomtochter T-Systems startete 2020 eine Initiative, die das Bewusstsein der Mitarbeitenden für einen gezielten Umgang mit Schlaf stärken sollte. Unter anderem mit Schlafberatern und einem Schlafzimmercheck, in dem Störfaktoren aufgespürt wurden, wollte das Unternehmen die persönliche Schlafhygiene seiner Belegschaft verbessern. Die Gesundheitsquote von T-Systems liegt laut dem Unternehmen seit mehreren Jahren bei über 90 Prozent.

Andere setzen auf Powernaps am Arbeitsplatz – auf einen kurzen, erholsamen Schlaf. Der Chemieriese BASF aus Ludwigshafen hat seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Kurse angeboten, in denen sie das Powernapping lernen können.

Auch Bosch ermöglicht seinen Beschäftigten am Entwicklungsstandort in Abstatt bei Heilbronn, sich richtig auszuruhen. Die Mitarbeitenden würden dort an hochkomplexen Aufgaben arbeiten, die viel Konzentration erforderten, schreibt Bosch auf Capital-Anfrage. Daher wollte man einen Ausgleich zum Entspannen und Auftanken schaffen. Das Unternehmen hat eine sogenannte Time-Out-Zone eingerichtet mit Massagesessel und Klangwogen. „Das Besondere an den Klangwogen ist, dass die Musik, die die Mitarbeitenden über Kopfhörer hören, über die Liegeflächen auf den Körper übertragen wird“, schreibt Bosch. „Dadurch ist eine Entspannung innerhalb kürzester Zeit möglich.“ Das Feedback auf die Time-Out-Zone sei positiv.

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Allerdings findet die Nutzung des Angebots außerhalb der Arbeitszeit statt, die Beschäftigten müssen sich vorher ausstempeln. Die indische Inneneinrichtungsplattform Wakefit hat ihren Angestellten hingegen offiziell das Recht eingeräumt, eine halbe Stunde pro Tag zu schlafen. Von 14 bis 14:30 Uhr sind alle Kalender für „Official Nap Time“ geblockt.

Luftmatratzen müssen nicht erlaubt sein

In Deutschland ist das Schlafen während der Arbeitszeit in der Regel rechtlich nicht erlaubt – wer es trotzdem tut, dem drohen Abmahnung und im Wiederholungsfall die fristlose Kündigung. „In der Pause darf der Arbeitnehmer hingegen machen, was er möchte“, sagt der Arbeitsrechtler Michael Fuhlrott zu Capital. „Ein Schläfchen auf dem Stuhl im Pausenraum während der Pause ist also zulässig.“ Dazu verpflichtet, spezielle „Schlafräume“ zur Verfügung zu stellen, sei der Arbeitgeber aber nicht. „Auch kann dem Arbeitnehmer untersagt werden, eigene Schlafutensilien in seinem Büro auszubreiten oder auszupacken“, sagt Fuhlrott. Eine Luftmatratze mitbringen, aufpusten und auslegen? So einfach ist es nicht.

Ruseva vom New-Work-Verband setzt sich dafür ein, dass Deutschland seine Regelungen lockert und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine höhere Flexibilität an den Tag legen. „Wer schon mal Schlafmangel hatte, weiß, dass man dann zu nichts zu gebrauchen ist“, sagt Ruseva. „Wer einen Mittagsschlaf machen könnte, wäre produktiver und motivierter.“ Außerdem könne die Arbeitssicherheit besser gewährleistet werden, und zwar nicht nur für Fließband-Arbeiter, sondern auch am Schreibtisch. „Es kann schnell passieren, dass ich Passwörter aus Müdigkeit irgendwo auf ein Blatt Papier schreibe oder etwas nicht richtig sichere. Das ist genauso relevant.“

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