Die tödliche Amokfahrt in Trier ist mehr als drei Jahre her. Jetzt wird der Prozess gegen den Täter teilweise neu aufgerollt. Das reißt bei Angehörigen und Betroffenen Wunden wieder auf.
Der neue Prozess um die tödliche Amokfahrt in Trier vor gut drei Jahren ist für Opfer und Hinterbliebene eine große Belastung. „Der Albtraum hört nicht auf. Man kommt nicht zur Ruhe“, sagte Petra Lieser, deren Tochter Katja Lieser bei der Amokfahrt durch die Trierer Fußgängerzone am 1. Dezember 2020 im Alter von 25 Jahren getötet wurde. „Andere Menschen, die jemanden verlieren, haben Zeit zu trauern. Aber das haben wir nicht“, sagte sie mit Blick auf die Teil-Neuauflage des Prozesses, der an diesem Dienstag (9.30 Uhr) vor dem Landgericht Trier beginnt.
Bei der Tat des Amokfahrers starben fünf Menschen, darunter auch ein neun Wochen altes Baby. Zudem gab es Dutzende Verletzte und Traumatisierte. Im Oktober 2021 war zudem ein Mann gestorben, der bei der Tat schwer verletzt worden war. Dass der Angeklagte der Täter war, ist in der Neuauflage des Prozesses unumstritten. Er war mit seinem Geländewagen in hohem Tempo durch die belebte Einkaufsstraße in Trier gerast und hatte gezielt Passanten angefahren. Neu verhandelt wird etwas anderes.
Versäumnisse des Gerichts
Die Frage der Schuldfähigkeit steht im Fokus des neu aufzurollenden Prozesses. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte nach Revision des Angeklagten das Urteil vom August 2022 wegen Rechtsfehlern überwiegend aufgehoben. Das Landgericht habe Fehler gemacht: Bei dem Mann war eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert worden. Deswegen hatte das Gericht ihn generell für vermindert schuldfähig gehalten. Konkret auf die Tat bezogen geprüft und begründet hatte das Gericht die Annahme jedoch nicht, urteilte der BGH.
Zudem habe das Gericht es versäumt, die Auswirkungen des Alkoholkonsums des Angeklagten in Kombination mit seiner Krankheit auf die Schuldfähigkeit zu prüfen, sagte der Trierer Strafrechtsprofessor Mohamad El-Ghazi. Nach seiner Einschätzung ist die Frage der Schuldfähigkeit „jetzt grundsätzlich offen“.
Opfer haben Sorge vor Freispruch
Auch wenn der Prozess „alles noch einmal aufrüttelt“: Sie werde alle zehn Prozesstage bis zum 2. Mai im Gerichtssaal dabei sein, sagte Lieser, die in Trier eine Kindertagesstätte leitet. „Ich hoffe sehr, dass das in zehn Tagen vorbei ist. Und dass der Täter weggesperrt bleibt.“ Mit einem möglichen Freispruch wegen Schuldunfähigkeit – damit könnte sie nicht leben. Auch wenn er dann noch in die Psychiatrie komme. Dann habe man immer die Angst, dass er eines Tages wieder entlassen werde, sagte die 55-Jährige.
Der Täter war in erster Instanz wegen mehrfachen Mordes und mehrfachen versuchten Mordes zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Das Gericht stellte zudem die besondere Schwere der Schuld fest und ordnete die Unterbringung des Mannes in einem geschlossenen psychiatrischen Krankenhaus an.
Wird der Angeklagte sprechen?
Bei dem neuen Prozess sind bis Anfang Mai rund 60 Zeugen geladen. Es handelt sich um Menschen, die vor oder nach der Tat mit dem Angeklagten zu tun hatten. Für den ersten Prozesstag ist die Anklageverlesung, die Verlesung des Urteils, soweit es rechtskräftig ist, sowie die Verlesung des BGH-Beschlusses geplant. Anschließend wird sich zeigen, ob der Angeklagte zur Sache aussagt. Im ersten Prozess hatte er geschwiegen.
Ob der Angeklagte etwas sagen wird oder nicht – für Petra Lieser macht es keinen Unterschied. „Es gibt dafür keine Erklärung“, sagte sie. Seit der Tat sei für sie kein normales Leben mehr möglich. „Katja fehlt uns so sehr.“ Im Garten brenne weiterhin eine weiße Kerze in der Laterne Tag und Nacht für ihre Tochter. „Sie war die lebensfroheste Person, die ich kannte. Und sie wollte Opferanwältin werden.“