Bauern demonstrieren weiter gegen EU-Auflagen – Özdemir für weniger Bürokratie

In mehreren europäischen Ländern haben Landwirtinnen und Landwirte weiter gegen die Auflagen der Europäischen Union protestiert. In Brüssel blockierten nach Polizeiangaben rund 900 Traktoren den Verkehr – dort berieten am Montag die EU-Landwirtschaftsminister über Antworten auf die Proteste. Auch in Spanien und an der deutsch-polnischen Grenze demonstrierten Bauern. 

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) sprach sich am Rande des Treffens mit seinen EU-Kollegen für weniger Verwaltungsaufwand für die Betriebe aus. Die derzeitige europäische Agrarpolitik sei „ein Bürokratiemonster“, sagte Özdemir in Brüssel.

Bei den Bauern gebe es viel Wut über nicht gehaltene Versprechen, erklärte Özdemir. Die EU müsse nun das Zeitfenster für „kluge Reformen“ im Agrarsektor nutzen. Ein durchschnittlicher Landwirt verbringe ein Viertel seiner Zeit am Schreibtisch. „Feldarbeit statt Papierarbeit ist das Gebot der Stunde“, betonte Özdemir.

Wichtig sei aus seiner Sicht zudem, dass Landwirte mit Klima– und Artenschutz „gutes Geld verdienen“ könnten, sagte der Grünen-Politiker weiter. Zudem dürften die Milchbauern künftig nicht mehr die „großen Verlierer“ der EU-Politik sein.

Frankreich verlangt dagegen, einen EU-Kompromiss zu Emissionen aus der Geflügel- und Schweinehaltung wieder aufschnüren. Im Dezember hatten sich Mitgliedsländer und EU-Parlament auf Grenzwerte für „industrielle“ Betriebe geeinigt. Landwirtschaftsminister Marc Fesneau forderte in Brüssel „pragmatische“ Lösungen für die Bauern. Präsident Emmanuel Macron war am Wochenende bei der Pariser Agrarmesse ausgebuht und bedrängt worden.

Belgiens Landwirtschaftsminister David Clarinval sagte bei dem Treffen unter seiner Leitung, es gebe aus den 27 Mitgliedsländern 500 Vorschläge für flexiblere Regeln. Diese würden nun eingehend geprüft. Dabei geht es unter anderem um Vereinfachungen bei den Dokumentationspflichten für die Betriebe.

Auch die EU-Kommission hatte in der vergangenen Woche vereinfachte Regeln im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) vorgeschlagen. Durch den verstärkten Einsatz digitaler Systeme soll etwa die Zahl der Kontrollbesuche auf den Höfen annähernd halbiert werden. In von Überschwemmungen oder Dürren betroffenen Gebieten sollen zudem keine Strafen mehr verhängt werden, wenn Betriebe die Auflagen nicht erfüllen.

Als Sofortmaßnahme hatte die Brüsseler Behörde bereits Vorschriften für einen Mindestanteil an Brachland auf Ackerflächen gelockert. Künftig sollen Bauern den Vorschlägen zufolge außerdem mehr Wiesen in Ackerland umwandeln dürfen. Das dürfte vor allem Tierhaltern zugute kommen, die ihr Geschäft wegen schlechter Umsätze auf den Getreideanbau umstellen.

An den Brüsseler Demonstrationen nahmen Bauern aus Belgien, Spanien, Portugal und Italien teil. Nach Angaben von AFP-Reportern zündeten Teilnehmer der Kundgebung Reifen im Europaviertel an. Die Polizei setzte Wasserwerfer ein, um die Brände zu löschen. Zuletzt hatten Bauern am Rande des Gipfels der EU-Staats- und Regierungschefs am 1. Februar in der belgischen Hauptstadt demonstriert und den Verkehr massiv behindert.

Polnische Bauern setzten derweil ihre Blockade des Autobahngrenzübergangs Slubice nahe Frankfurt an der Oder fort. Sie protestierten neben den EU-Umweltauflagen zudem gegen Getreideimporte aus der Ukraine. Seit ukrainisches Getreide wegen der russischen Blockade nur noch eingeschränkt auf dem Seeweg ausgeführt werden kann, erfolgen Lieferungen vermehrt auf dem Landweg, unter anderem über Polen. Wenn das Getreide dort verkauft wird, ist es deutlich günstiger als polnisches.

In Spanien blockierten Landwirtinnen und Landwirte mit ihren Traktoren das Zentrum der Hauptstadt Madrid. Wie in anderen europäischen Ländern fordern spanische Bauernverbände Lockerungen bei den Auflagen aus Brüssel und weniger Bürokratie.

Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir nannte die Bauernproteste erneut „legitim“. Kritik übte er jedoch an „Trittbrettfahrern“, die auf „Umstürze“ oder Ähnliches aus seien. Zuletzt hatten Demonstranten mehrfach Grünen-Veranstaltungen in Deutschland gestört.

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