„True Detective: Night Country“: Neue Staffel der Crime-Serie: Jodie Foster auf der Jagd nach Mördern und Dämonen

„True Detective“ ist mit einer vierten Staffel zurück. In der Hauptrolle: die legendäre Jodie Foster. Wir verraten, ob „Night Country“ mit den bisherigen Staffeln mithalten kann – obwohl Serienschöpfer Nic Pizzolatto dieses Mal außen vor blieb.

An vielen Fans des „True Detective„-Franchises scheint die neueste Staffel fast vorbeigerauscht zu sein. Dabei wartet sie mit einem höchst mysteriösen Mordfall auf, mit einer spektakulären Kulisse – und mit Superstar Jodie Foster in einer der Hauptrollen. Es ist Fosters erste Fernsehrolle seit Jugendtagen. Jodie Foster als Ermittlerin Liz Danvers
© Sky Deutschland/Home Box Office, Inc

„True Detective“ hat sich bis zu diesem Punkt durch eine wechselvolle Geschichte gewunden: Staffel eins, mit dem grandiosen Ermittlerduo Matthew McConaughey und Woody Harrelson, revolutionierte mit ihrer Ästethik die Serienlandschaft. Staffel zwei mit ihren zahlreichen Protagonisten hingegen schaffte es trotz Deluxe-Besetzung, das Publikum gleichzeitig zu langweilen und zu verwirren. Staffel drei kehrte deshalb sinnvollerweise zurück zu den Wurzeln und bot mit nur zwei Ermittlern wieder hochwertige, vielschichtige Krimi-Unterhaltung. Man durfte also mit Spannung abwarten, in welche Richtung das „True Detective“-Schiff nun gelenkt werden würde.

„True Detective“: Ein neuer Ansatz

Die simple Antwort: Nach Alaska. Und das auch noch im tiefsten Winter, in dem sich die Sonne selbst tagsüber nicht blicken lässt. Dunkel und frostig ist es hier, im winzigen Städtchen Ennis. Und dunkel und frostig, das beschreibt auch die Atmosphäre dieser vierten Staffel ganz gut. Die Chefin der örtlichen Polizei, Liz Danvers (Foster), bissig und unnahbar, muss sich zusammen mit ihrer Erst-Kollegin, dann Erzfeindin und dann wieder Kollegin, Streifenpolizistin Evangeline Navarro (Kali Reis), einem höchst mysteriösen Fall widmen: Sieben Wissenschaftler der nahegelegenen Forschungsstation wurden tot in der unerbittlichen Eislandschaft gefunden, nackt und zu einem schaurigen Gebilde aus Gliedmaßen zusammengefroren. Zudem mit geplatzten Trommelfellen und verbrannten Augen. Weshalb haben die Männer die Forschungsstation verlassen, sich ausgezogen – und woher stammen ihre rätselhaften Verletzungen?

Angereichert wird die nun folgende Ermittlung durch allerlei persönliche Dramen und den bitteren Konflikt zwischen den Anwohnern der kleinen Stadt im Eis und den Betreibern der dortigen Mine, die zwar Arbeitsplätze schafft, aber auch das Trinkwasser verseucht. Die Staffel schafft es, den daraus entstehenden Zwiespalt greifbar zu machen: Ohne die Mine hätte Ennis an diesem unwirtlichen Standort kaum eine Daseinsberechtigung. Aber mit der Mine werden die Bewohner krank, auch Totgeburten von Babys häufen sich. Die Polizist:innen müssen es aushalten, zwischen den Fronten zu stehen: Obwohl sie die Proteste gegen die Betreiber der Mine nachvollziehen können, müssen sie unangemeldete Demonstrationen auflösen, Beteiligte verhaften. Besonders bitter für Liz Danvers, da sich ihre Ziehtochter den Protestierenden anschließt.

Konflikte hinter den Kulissen

Bevor man diese Staffel auf sachlicher Ebene betrachten kann, braucht es womöglich ein paar Informationen zu ihrer Entstehungsgeschichte. Denn verantwortlich war dieses Mal nicht Nic Pizzolatto, der mit Staffel eins das Serienkonzept erfand, sondern die mexikanische Regisseurin Issa López. Spätestens ab Staffel zwei soll die Zusammenarbeit zwischen Pizzolatto und dem verantwortlichen US-Sender HBO nicht unkompliziert gewesen sein. Mit einer Idee für die vierte Staffel ließ der 48-Jährige sich nun reichlich Zeit. Soviel offenbar, dass man sich stattdessen an López wandte, die gerade mit einer eigenen Serienidee bei HBO vorstellig geworden war. Diese sollte sie sodann an das „True Detective“-Franchise anpassen.

Wie Issa López selbst verriet, konstruierte sie ihre „True Detective“-Version als Spiegelbild der ersten Staffel. Eisiges Alaska statt brütend heißes Louisiana. Foster und Reis bilden quasi einen weiblichen Gegenpart zu McConaughey und Harrelson. Überhaupt sind hier vorrangig Frauen die handelnden Figuren. Im Großen und Ganzen funktioniert diese Idee gut. Einer jedoch schien das anders zu sehen: Serienschöpfer Pizzolatto, der zwar in den Credits noch als Executive Producer genannt wird, sich aber in (inzwischen gelöschten) Social-Media-Postings abfällig über „Night Country“ äußerte. López‘ Ideen seien „so stupid“, so doof, tat er dort kund, und man solle sich nicht bei ihm über die neuen Episoden beschweren, weil er damit nichts zu tun habe. Charmant – nicht.

Keine Wärme, nirgends

Man kann sicher über das Finale der Staffel streiten (hier soll nicht gespoilert werden), aber Pizzolattos Kritik ist nicht angebracht. „True Detective: Night Country“ findet die richtige Balance zwischen Krimi und Charakterstudie, gespickt mit Mysterien und Symbolismus. Was die Staffel zudem gut macht, sind die realistisch wirkende Einblicke in das Leben der Bewohner von Ennis, besonders, was die Inuit-Charaktere und ihre Kultur betrifft. Fantastisch ist auch die Kameraarbeit, die die erdrückende, dunkle Endlosigkeit der Schneewüsten Alaskas eindrücklich festhält. Zum Ende hin werden die richtigen Fragen beantwortet und nur jene offen gelassen, bei denen das Darüber-Nachdenken nicht frustriert.STERN PAID 05_24 Die Patin Griselda 16.39

So ganz an Staffel eins kommt Nummer vier dennoch nicht heran. Einmal, weil in die „Tatort“-Falle getappt wird: Alle Protagonisten, speziell die Ermittler:innen, haben dermaßen massive persönliche Probleme, dass der Zuschauer schließlich eher genervt ist, anstatt Empathie zu empfinden. Das macht es schwierig, den Figuren wirklich nahe zu kommen – vor allem, weil sich sowohl Liz Danvers als auch Evangeline Navarro permanent schroff, abweisend und hart geben. Das erklärt sich durch erlebte Traumata, macht es aber nicht nur innerhalb des Serienkosmos schwer, Sympathie für sie zu entwickeln. 

Keine Stille, nirgends

Und dann ist da der Soundtrack. Über Billie Eilish im Vorspann kann man diskutieren, aber das ist immerhin ein Statement. Zudem gab Showrunnerin López an, „Bury A Friend“ habe sie beim Schreiben der Drehbücher inspiriert. Legitim. Doch darüber hinaus ist es in kaum einer Episode je wirklich leise. Da dudeln entweder seltsam wahllos wirkende Songs wie „Sweat“ von Inner Circle, Stücke von Ludovico Einaudi, den Spice Girls, Tim Buckley oder ein „Save Tonight“-Cover im Hintergrund, und aus nicht näher erklärten Gründen hat ausgerechnet der Beatles-Song „Twist And Shout“ eine besondere Bedeutung für Liz Danvers (auf der Skala der besten Beatles-Lieder leider ziemlich tief, auf der Nerv-Skala dafür hoch). Wenn keine Musik spielt, komplementiert lautes Atmen viele Szenen. Vielleicht der Geist der frostigen Tundra, vielleicht Kunst. Aber da sieht man diese beeindruckende und zugleich schaurige Eislandschaft und denkt: Dort muss es unheimlich still sein. Diese Stille wird einem als Zuschauer jedoch nicht gegönnt.The Crown Staffel 6 11.55

Und zu guter Letzt kommt hier eine Triggerwarnung. Mehrere Charaktere leiden unter psychischen Problemen. Kein Wunder, wenn monatelang keine Sonne scheint und traumatische Erlebnisse hinter jeder Ecke lauern. Gut also, dass selbst das abgeschiedene Örtchen Ennis eine Klinik samt psychiatrischer Station hat, die auch noch symbolisch „Leuchtturm“ heißt. Schlecht, dass dennoch gleich drei(!) Figuren mit mentalen Schwierigkeiten trotzdem den Suizid als „Ausweg“ wählen. Das mag innerhalb der Staffel vielleicht irgendwie poetisch wirken, darüber hinaus aber könnte man das beinahe verantwortungslos nennen. Selbst dramaturgisch sind mindestens zwei der Suizide völlig unnötig. Schwierig, gelinde gesagt. 

Nicht genial, aber wirklich gut

Übersieht man die genannten Kritikpunkte großzügig, bietet „Night Country“ aber sechs Episoden lang spannende Krimi-Unterhaltung, eine intelligente Story, beeindruckende Bilder und tolle Darsteller. Allein Kali Reis und Jodie Foster machen die Serie sehenswert. Und das Eintauchen in die düstere, eisige Welt von Ennis hat seine ganz eigene Faszination. In Deutschland kann man die vierte „True Detective“-Staffel derzeit bei Sky streamen. Am besten vorher direkt in eine warme Decke wickeln!

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