Rückschlag für Musk-Firma: Ohne Tesla-Werk kann der Autostandort Deutschland einpacken

Die Bürger von Grünheide stimmen gegen die Erweiterung des Tesla-Werks. Ein Rückschlag für Elon Musks Fabrik, die längst eine wichtige Funktion für die deutsche Autoindustrie hat.

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Tesla und das Autoland Deutschland – das ist immer noch eine komplizierte Beziehung. Als Bundeskanzler Olaf Scholz im vergangenen Jahr die Spitzen der heimischen Autoindustrie zum Autogipfel ins Kanzleramt lud, da hatte er Tesla zunächst ganz vergessen. Dabei ist der US-Elektro-Autokonzern jetzt schon einer der größten Autobauer im Land. 

Wenn Tesla-Lenker Elon Musk die bereits beantragte Erweiterung seiner Fabrik in Grünheide bei Berlin umsetzt, ist er sogar der größte Autoproduzent in Deutschland: Eine Millionen Fahrzeuge können dann pro Jahr in Grünheide gefertigt werden – zum Vergleich: Das VW-Stammwerk in Wolfsburg schaffte zuletzt rund 400.000 Stück. Das Kanzleramt hat dann auch seinen Fehler eingesehen und Musks Werkleiter André Thierig aus Grünheide noch dazugelassen.

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Doch Teslas Erweiterungspläne haben in dieser Woche einen empfindlichen Dämpfer erhalten. Die Bürger der Gemeinde Grünheide haben gegen einen Ausbau des Werks gestimmt. Zwar war der Bürgerentscheid unverbindlich. Auch ging es formal nicht um die große Erweiterung mit der Verdoppelung der Kapazität auf eine Millionen Autos, für die zurzeit ein Genehmigungsverfahren läuft – sondern lediglich um Flächen für einen Güterbahnhof, der die Anlieferung vereinfachen soll sowie für Lager- und Sozialgebäude. Dafür sollen mehr als 100 Hektar Wald gerodet werden.

Tesla reagierte nicht einmal vergrätzt, sondern mit betont verständnisvollem Ton auf die Ablehnung: Der Konzern sehe die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger und werde „auf Basis des Feedbacks der letzten Wochen“ mit den Beteiligten die nächsten Schritte abstimmen. Das klingt zunächst nicht, als führe das Bürgervotum die US-Amerikaner zu Rückzugsgedanken. Doch einige brandenburgische Politiker macht die Entscheidung von Grünheide durchaus nervös. 

Man dürfe Tesla nicht verschrecken, hatte etwa Brandenburgs Landeswirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) in den vergangenen Wochen gewarnt. Es wird wohl nicht ganz einfach sein, Musk und sein Unternehmen bei der Stange zu halten, indem man ihnen weiter den roten Teppich ausrollt. In Brandenburg stehen schließlich Landtags- und Kommunalwahlen an, Politik und Verwaltung können es sich daher kaum leisten, sich bei den laufenden Verfahren über ein deutlich negatives Bürgervotum einfach hinwegzusetzen. Entsprechend appellierte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) an Tesla, den Bürgerwillen ernstzunehmen.STERN PAID Tesla Recherche Wasser Grünheide    6.30

Zulieferer wie ZF und Conti hängen an Tesla-Fabrik

Dabei ist Tesla in Grünheide eine der wenigen Erfolgsgeschichten der deutschen Autoindustrie in den letzten Jahren. Schon die Ansiedlung im industriearmen Osten des Landes wurde als Signal wahrgenommen. Während in den etablierten Autowerken etwa des Volkswagen-Konzerns teilweise kurzgearbeitet wird und befristete Arbeitsverhältnisse beendet wurden, entstanden am Rande Berlins bislang schon 11.500 Industriearbeitsplätze.

In Saarlouis wird der Ford-Konzern seine Autoproduktion im kommenden Jahr einstellen. In diesem Kontext war das Signal aus Grünheide lange: Es wird auch etwas neu aufgebaut und ehrgeizig erweitert – sogar im Zukunftsgeschäft mit Elektroautos. Das in Grünheide gefertigte Tesla Model Y ist inzwischen das meistgekaufte Auto Europas und der Welt. Zahlreiche deutsche Zulieferer arbeiten für Tesla, darunter Großkonzerne wie ZF, Conti und Bosch, aber auch mehr als drei Dutzend Mittelständler.

Sicher, die Tesla-Werker in Grünheide verdienen nicht so gut wie ihre Kollegen bei VW oder Opel, auch weil Musks Leute versuchen, die Gewerkschaft IG Metall bislang herauszuhalten. Sicher, es gibt zahlreiche dokumentierte Probleme mit den Arbeitsbedingungen im Werk, mit ungenügendem Umweltschutz. Die Intransparenz von Tesla und das teilweise recht ignorante Verhalten des Konzerns gegenüber der deutschen Öffentlichkeit ist unangebracht und hat vielleicht jetzt auch zu dem Negativvotum beigetragen. 

Dennoch gilt: Ohne das Tesla-Werk wäre der Niedergang des Autostandorts Deutschland wahrscheinlich. Die heimischen Hersteller allein schaffen es nämlich mit Blick auf das anbrechende E-Zeitalter kaum, auch nur annähernd so viele Beschäftigte und Zulieferer – und damit weitere Jobs – in Arbeit zu halten, wie das in der Vergangenheit der Fall war. Menschen, die es wirtschaftlich wichtig finden, dass Deutschland ein Autoland ist, müssen Elon Musk dankbar sein; genauso wie all jene, die an klimafreundlicher Mobilität interessiert sind – trotz aller Abstriche und trotz aller Charakterprobleme des Tesla-Lenkers.

Musk will neues Tesla-Modell in Brandenburg bauen

Der Tesla-Zampano selbst war im November das letzte Mal in Grünheide. Bei seinem Kurztrip kündigte er an, dass er das wichtigste Zukunftsprojekt des Konzerns auch in Grünheide ansiedeln will: Der neue Einstiegs-Tesla, der ab 2026 für 25.000 Euro zu haben sein könnte, soll auch in Deutschland produziert werden, sagte Musk vor Mitarbeitern.

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Mit dem Auto hat Tesla große Pläne, er will mit seinem Konzern stückzahlenmäßig in neue Dimensionen vorstoßen und gleichzeitig den Autobau revolutionieren. Dann würde wahrscheinlich die Kapazität des Werks auch noch mal verdoppelt, auf dann zwei Millionen Fahrzeuge, wofür es in den Plänen auch Optionen gibt. 

Natürlich sind Musks Ankündigungen immer riesig und immer mit Vorsicht zu genießen. Aber wenn es ihm gelingt, seine Pläne umzusetzen, dann bekommt das Werk bei Berlin noch eine viel wichtigere Bedeutung für den Autobau in Deutschland. Wenn das Land ein Autoland bleiben will, wird es dieses Werk wahrscheinlich brauchen.

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