Das Leaky-Gut-Syndrom hat in den letzten Jahren an Aufmerksamkeit gewonnen. Was hinter dem durchlässigen Darm steckt, wieso er Ursprung zahlreicher chronischer Beschwerden sein kann und wie man ihn behandelt.
Dass ein gesunder Darm die Basis für einen gesunden Körper und eine ausgeglichene Psyche ist, das ist nichts Neues mehr. Welche Rolle dabei jedoch die Darmschleimhaut spielt, darüber wird nach wie vor zu wenig gesprochen. Das Leaky-Gut-Syndrom ist ein immer häufiger auftretendes Krankheitsbild, das jedoch genau darauf gründet: auf einer schlecht versorgten, krankhaft veränderten und vor allem durchlässigen Darmwand, die die Ursache zahlreicher Folgeerkrankungen wie Autoimmunerkrankungen, entzündlicher Darmerkrankungen und sogar Krebs sein kann.
Darmgesundheit: Voraussetzung für einen vitalen Organismus
Der Darm ist ein Dreh- und Angelpunkt der Gesundheit. Das Wohlbefinden des Organs wirkt sich dabei nicht nur auf die Aufnahme, Verdauung und Verstoffwechselung von Nährstoffen, sondern auch auf das Immunsystem, den Alterungsprozess und sogar die Psyche aus. Um langfristig fit, leistungsstark und resilient gegenüber äußeren Stressoren zu bleiben, ist die Darmgesundheit also unabdingbar.
Mehr als 100 Billionen Bakterien – gute wie schlechte – befinden sich im Darm. Sie allesamt wiegen bis zu zwei Kilogramm, sind für die Verdauung sowie die Produktion wichtiger Enzyme, Vitamine und Aminosäuren verantwortlich und „filtern“ sogar Schadstoffe aus der Nahrung, die wir unabsichtlich über verunreinigte Lebensmittel aufnehmen. Da der Darm und das Gehirn über die sogenannte Darm-Hirn-Achse stetig in Verbindung stehen und sich gegenseitig über Wohlbefinden und Stimmung des Körpers austauschen, kann sich ein kranker Darm auf direktem Wege auch auf die Psyche auswirken – und damit Gefühlssschwankungen bis hin zu depressiven Verstimmungen begünstigen.
Was ist das Leaky-Gut-Syndrom?
Wenn der Darm gesund ist und richtig verdaut, dann bildet er eine dichte Barriere zwischen dem Nahrungsbrei, der durch den Darm wandert, sowie dem Rest des Körpers. Die Darmschleimhaut fungiert hier als Pförtner, ist semipermeabel (für bestimmte Stoffe durchlässig, für andere wiederum nicht) und entscheidet nicht zuletzt, was in den Blutkreislauf geschleust (Nährstoffe und Enzyme) und was als Stuhl ausgeschieden werden soll (Stoffwechselabfallprodukte sowie mit der Nahrung aufgenommene Keime, Parasiten, Pilze, Gifte etc.).
Von einem „Leaky Gut“ spricht man nun, wenn die sonst so stabile Darmschleimhaut löchrig wird – und Giftstoffe, Bakterien und Parasiten ungehindert ihren Weg in den Körper finden.
Was sind die Symptome eines Leaky Guts?
Dass dieser Umstand Folgen mit sich bringt, ist selbsterklärend. Nicht nur verändert sich das Gleichgewicht zwischen „guten“ und „schlechten“ Mikroben im Darm, was zu Verdauungsproblemen wie Blähungen, Verstopfungen oder Durchfall sowie Gewichtsproblemen und einem schwachen Immunsystem führen kann. Langfristig gesehen kann der durchlässige Darm Entzündungen auslösen und fördern und auch zu Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Allergien samt Autoimmunreaktionen des Körpers führen. Letzteres bedeutet, dass über den nun durchlässigen Darm auch unverdaute Nahrungsbestandteile wie Proteine oder Gluten in den Blutkreislauf gelangen und vom Körper als Fremdkörper eingestuft werden.
Der Organismus entwickelt Antikörper gegen jene und reagiert fortan allergisch auf sie. Das kann neben Verdauungsbeschwerden auch zu Hautproblemen, Juckreiz oder Asthma führen, sollten die triggernden Lebensmittel fortan weiter auf dem Speiseplan stehen. Gleichzeitig richtet sich das Immunsystem gegen den Organismus. Im schlimmsten Fall greift es irrtümlich gesunde Zellen an, wodurch es zu Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose kommen kann. Die Symptome des Leaky-Guts sind entsprechend vage und breit aufgestellt.
Häufige Beschwerden sind:
Reizdarmbeschwerden: Durchfall und/oder Verstopfung, Blähungen, BauchschmerzenPlötzlich auftretende Nahrungsmittelunverträglichkeiten z.B. gegen Gluten, Milcheiweiß, SojaMüdigkeit, Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen, LeistungsabfallHautprobleme, Akne, NeurodermitisStoffwechselkrankheiten wie Diabetes Typ 1Autoimmunkrankheiten wie Multiple SkleroseArthritis, Rheuma, entzündliche Gelenkerkrankungen AutismusParkinson
Was sind die Ursachen eines Leaky-Gut-Syndroms?
Ursachen für ein Leaky-Gut-Syndrom können vielseitig sein, rühren jedoch meist von einem gestörten Gleichgewicht zwischen Darmschleimhaut und Darmflora her. Normalerweise leben die Mikroben in unserem Darm in Symbiose miteinander. Die nützlichen Bakterien, die unter anderem die Darmschleimhaut nähren und wichtige Nährstoffe wie Buttersäuren produzieren, überwiegen dabei. Auch ein Teil „schädlicher“ Darmbakterien ist vorhanden, verursacht jedoch – wenn in der deutlichen Unterzahl – keinen Beschwerden.
Dauerhafte körperliche und seelische Stresssituationen, ein ungesunder Ernährungsstil, Bewegungsmangel und/oder Medikamente wie Antibiotika oder ASS (Acetylsalicylsäure)können das Zusammenleben der Mikroorganismen jedoch stören. Nehmen Fäulnisbakterien überhand, kommt es zu Beschwerden, denn die Mikroben verdrängen die gesundmachenden Bakterien, indem sie toxische Bakteriengase z.B. LPS (Lipopolysaccharide) ausstoßen. Sie schwächen außerdem die Darmbarriere und sorgen dafür, dass diese immer größere „Löcher“ bekommt. Durch diese können die Toxine nun frei in den Blutkreislauf wandern und sich im Körper breitmachen.
Wie wird das Leaky-Gut-Syndrom diagnostiziert?
Das Leaky-Gut-Syndrom lässt sich von erfahrenen Darmspezialisten anhand der Anamnese vorhandener Beschwerden sowie mithilfe diverser Laboruntersuchungen diagnostizieren. Dazu zählen Untersuchungen des Stuhls inklusive Mikrobiom sowie des Blutserums, wobei erhöhte Zonulin- und Alpha-1-Antitrypsin-Werte auf Entzündungen in der Darmschleimhaut hindeuten können. Eine geläufige Methode ist zudem der Laktulose-Mannitol-Test, bei dem Patienten eine Lactulose-Mannitol-Lösung zum Trinken verabreicht bekommen. Sind die Werte im Anschluss erhöht im Urin zu testen, kann das ein Indiz für Leaky-Gut sein.
Auch Atemtests wie ein Wasserstoff-Methan-Test können zum Einsatz kommen, sie dienen der Diagnose einer möglichen Dünndarmfehlbesiedelung, die oftmals mit einer erhöhten Anzahl an Fäulniskeimen und einem durchlässigen Darm einhergeht.
Wie wird die Krankheit behandelt?
Klingt alles ziemlich kompliziert. Und das ist es auch. Dennoch braucht man den Kopf nicht in den Sand zu stecken, ein durchlässiger Darm kann auch wieder „geflickt“ werden – zwar nicht mit Nadel und Faden, dafür aber mit der richtigen Ernährung, regenerativen Wirkstoffen und hochwertigen Probiotika. Dabei muss betont werden, dass die Therapie eines Leaky-Gut-Syndroms generell, vor allem aber, wenn ernsthafte Begleiterkrankungen – beispielsweise des Autoimmunsystems oder Stoffwechsels – vorliegen, gemeinsam mit einem Arzt und/oder Ernährungsberater durchgeführt werden sollten.
Übergreifendes Ziel ist es, den Darm samt Mikrobiom wieder zurück in seine Balance zu bringen. Folgende Schritte können dabei behilflich sein:
Darmsanierung
Eine Darmsanierung in Form einer Detox-Kur, wie oft in der Werbung angepriesen, ist wissenschaftlich nicht belegt. Dennoch empfehlen manche Ärzte die Einnahme bestimmter pflanzlicher Stoffe, um den Darm zu entlasten und Giftstoffe auszuscheiden. Der US-amerikanische Darmspezialist und Arzt Dr. Josh Axe empfiehlt in seinem Buch „4 Steps to Heal Leaky Gut and Autoimmune Disease“ die Einnahme von Ballaststoffen wie Flohsamenschalen oder Akazienfasern zusammen mit Mineralerde, um Schadstoffe im Darm zu binden und mit dem Stuhl auszuscheiden. Die in Flohsamenschalen enthaltenen Schleimstoffe beruhigen darüber hinaus die angegriffene Darmschleimhaut.
Gleichzeitig wird die Einnahme von hochwertigen Probiotika empfohlen. Neueste Studien belegen die Wirksamkeit von sogenannten sporenbasierten Mikroben. Vor allem der Bakterienstamm „Bacillus subtilis“ konnte die Wissenschaft in der Vergangenheit überzeugen und wurde von der Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie sogar zur Mikrobe des Jahres 2023 gekürt. Neben der Einnahme eines Probiotikums werden auch Präbiotika empfohlen, die das Wachstum guter Bakterien fördern. Hier sollte auf die individuelle Verträglichkeit geachtet werden. Präbiotische Ballaststoffe wie Inulin oder Fructooligosaccharide dienen den Mikroben als Nahrung und können die Darmflora-Regeneration beschleunigen, werden jedoch nicht von jedem gut vertragen.
Schleimhaut und Darmflora aufbauen
Die Stärkung einer gesunden Darmflora mit Prä- und Probiotika trägt bereits einen erheblichen Teil zur Regeneration der geschwächten Darmwand bei. Dennoch kann man die Darmwand auch gezielt kräftigen. Derzeit untersucht die Wissenschaft die Wirksamkeit von synthetischem L-Glutamin auf die Regeneration der Darmschleimhaut. Die Aminosäure spielt im menschlichen Körper eine zentrale Rolle bei der Versorgung der Darminnenwand und zeigte bereits in Tiermodellen eine Wirksamkeit bei der Behandlung entzündlicher Darmerkrankungen wie Morbus Crohn.
Omega-3-Supplemente sowie eine möglichst entzündungshemmende Ernährung reich an Antioxidantien können nicht zuletzt dazu beitragen, Entzündungen im Darm und der Schleimhaut zu hemmen. Wie eine solche Ernährung aussehen kann, lesen Sie hier. Wichtig ist es in jedem Fall, Genussmittel wie Alkohol, Rauchen sowie stark verarbeitete, zuckerhaltige Kost zu meiden, da diese Entzündungen begünstigen und zur Ansiedelung von Fäulniskeimen beitragen können.
Lebensstil anpassen
Letztendlich ist das Leaky-Gut-Syndrom Resultat des modernen Lebensstils: Umweltgifte, eine (durch die Verarmung der Böden und die Nahrungsmittelindustrie) zunehmend mangelhafte Ernährungsweise, zu wenig Bewegung und Stress setzen dem Darm und der Darmwand zu und führen langfristig zu Beschwerden. Natürlich können jene Stressoren nicht allesamt gemieden werden, kleine Verhaltensänderungen dennoch ihren Teil zu einem gesunden Darm beitragen. Essen Sie möglichst naturbelassen, unverarbeitet und bunt, kaufen Sie Ihre Lebensmittel idealerweise in Bio- oder Demeter-Qualität, meiden Sie Massentierhaltungsprodukte. Bewegen Sie sich regelmäßig an der frischen Luft, üben Sie sich in Achtsamkeit und lernen Sie Methoden zum Stressabbau. Kauen Sie Ihre Nahrung bewusst und ausführlich, um Ihre Verdauung zu entlasten. Und vor allem: Setzen Sie sich selbst nicht unter Druck.
Quellen: „infomedizin“, IMD Berlin, Thieme Connect, Thieme „Natürlich medizin!“, NDR, SWR, Cochrane Library,„Dr.Axe“
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