Wirtschaftslenker in Sorge: „Ich würde mich auf einen Präsidenten Trump einstellen“, rät US-Experte Jan Kallmorgen

Noch mal Donald Trump? Bei diesem Gedanken erschrecken auch Manager und Unternehmer. Der USA-Kenner Jan Kallmorgen rät jedoch: Wir sollten uns dringend darauf vorbereiten – Trump tut es auch.

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Herr Kallmorgen, müssen wir uns auf einen Präsidenten Trump einstellen? 
Alles andere wäre fahrlässig, so ungern ich das sage. Seine Chancen, dass er die Kandidatur der Republikaner gewinnt, stehen sehr gut. Und auch die Wahl im November könnte diesmal andersherum ausgehen als vor knapp vier Jahren. 

Aber wie stellt man sich auf einen Mann wie Trump ein, der so unberechenbar ist? 
Im Grunde muss man dabei drei Ebenen beachten: Die erste Ebene ist die innen- und gesellschaftspolitische. Das Land ist zerrissen und die Polarisierung wird sich weiter vertiefen, befürchte ich. Auf den ersten Blick scheint das für Unternehmen nicht so relevant, aber politisch und für den Zusammenhalt der USA ist es höchst wichtig. Und Unternehmen agieren ja nicht im politisch luftleeren Raum.  

TC_Boyle

Sie meinen, wenn die Bosse wie beim letzten Mal gleich wieder die Nähe zum neuen Präsidenten suchen, während die eine Hälfte des Landes möglicherweise noch auf den Straßen protestiert? 
Ich erinnere mich noch gut an die Bilder der CEOs, die sich nach seinem Amtsantritt um den neuen Präsidenten im Weißen Haus oder auch in Davos scharten. Zum einen will man die Interessen seines Unternehmens vertreten, zum anderen liegt in solchen Bildern auch ein Reputationsrisiko für Unternehmen, wie man an den negativen Schlagzeilen bei den letzten Treffen gesehen hat und über das man besser vorher nachdenkt. Zudem würde der Ton unter Trump gegenüber der europäischen Wirtschaft sicher wieder rauer werden, auch darauf muss man sich als Manager einstellen.

Sie meinen, man sollte sich frühzeitig Verbündete im Lager der Republikaner suchen?
Ja, sicher, das ist ja nur professionell. Die großen Konzerne mit ihren Repräsentanzen in Washington machen das sicher auch schon. Auf jeden Fall, das ist dann die zweite Ebene, wird ja auch die Wirtschaftspolitik und Regulierung unter Trump unberechenbarer werden – vor allem, wenn es um Zölle und den Handel geht. Auf der anderen Seite muss aber auch nicht alles schlechter werden unter Trump: Die Energiepreise werden unter ihm in den USA sicher tendenziell noch attraktiver werden als sie es heute ohnehin schon sind. Der Technologievorsprung der USA wird im Zweifelsfall eher noch größer werden. Und auch der Kapitalmarkt wird tief und attraktiv bleiben respektive vielleicht noch an Anziehungskraft gewinnen.

Jan Friedrich Kallmorgen ist Partner in der Strategie- und Transaktionsberatung bei EY mit Fokus auf Geopolitik. Zuletzt erschien von ihm das Buch „Das Geopolitische Risiko. Unternehmen in der neuen Weltordnung“ (Campus Verlag)
© EY

Was wird aus dem Inflation Reduction Act (IRA) von Biden, der in den vergangenen anderthalb Jahren so viele Unternehmen mit Investitionen in die USA gelockt hat? 
Auch wenn Trump bereits mehrfach angekündigt hat, dass er den IRA beenden oder abschaffen wird, kann ich mir das schwer vorstellen. Trump hat immer fast alles getan, was im Interesse von Unternehmen ist und was Auslandsinvestitionen anzieht – das wird jetzt nicht anders sein. Und ich glaube auch nicht, dass seine Sorge um die Staatsfinanzen oder die Inflation so groß ist, dass er auf den IRA verzichten würde. 

Sie haben von drei Ebenen gesprochen, die Unternehmen im Blick behalten müssen. 
Die dritte Ebene ist die Geopolitik. Das Verhältnis zu China wird kaum besser werden, es steht zu befürchten, dass wir auf einen neuen Kalten Krieg zusteuern – diesmal mit China. Im Technologiebereich ist das viel zitierte Decoupling schon Realität und die USA erwarten von Europa, dass wir gegen China an ihrer Seite stehen. Darauf wird Peking reagieren, dass heißt, der chinesische Markt wird auch aus geopolitischen Gründen für europäische Unternehmen schwieriger werden. Zudem wächst die chinesische Wirtschaft schwächer als bisher angenommen und das Export-Wachstum muss künftig woanders herkommen, etwa aus anderen Bereichen Asiens, an Indien knüpfen sich viele Erwartungen, aber eben vor allem auch aus den USA – was wiederum dafür spricht, sich als Vorstand oder Aufsichtsrat jetzt noch mehr als ohnehin mit Investitionen in den USA zu beschäftigen.

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Sind diese Fragen und Herausforderungen angekommen in den Chefetagen? 
Die Szenario-Planungen für eine zweite Trump-Präsidentschaft beginnen jetzt spätestens. Jeder Vorstand, Geschäftsführer oder Unternehmer mit internationalem Geschäft muss sich damit auseinandersetzen, was auf der Agenda des Weißen Hauses ab 2025 steht und wie ein mögliches Kabinett aussieht. Zumal das Trump-Team ja diesmal sehr planvoll vorgeht und intensive Vorbereitungen für einen eventuellen Machtwechsel laufen. 

Sie haben die Handelspolitik und mögliche Strafzölle bereits angesprochen. Auf was muss sich Europa konkret einstellen? 
Das bekannte Muster aus seiner ersten Amtszeit dürfte sich fortsetzen: Alles, was Konkurrenz aus dem Ausland ist, wird es unter Trump schwerer haben – wir haben das ja schon bei den Autos aus Europa gesehen. Umgekehrt wird er aber alles dafür tun, um Investitionen in die USA zu locken. Das wird auch für europäische Unternehmen sehr interessant sein. Und da lohnt es sich vor allem, auch auf die einzelnen Bundesstaaten zu schauen, die sich in vielen Fällen einen Wettbewerb liefern, wer die attraktivsten Standortbedingungen liefert.

Wie meinen Sie das? 
Es ist absehbar, dass einzelne Bundesstaaten noch stärker ihre eigenen Schwerpunkte setzen und Politikansätze verfolgen werden. Wenn Trump etwa erneut aus dem Klimaabkommen von Paris aussteigt, könnten Staaten wie Kalifornien oder New York dem Abkommen beitreten bzw. sich assoziieren, denn beide legen viel Wert auf Klimaschutz und könnten auch unabhängig von Washington eigene Förderprogramme auflegen.

Aber am meisten Sorgen müssen sich die Europäer ja wahrscheinlich in der Außen- und Sicherheitspolitik machen.
Und das zurecht – dagegen werden die Turbulenzen für die Unternehmen ein Spaziergang. Trump wird die Europäer massiv unter Druck setzen, mehr Kosten für die eigene Verteidigung zu übernehmen. Auch wenn er nicht aus der NATO austritt – was eine durchaus reale Gefahr ist – werden wir Europäer unsere Verteidigungsfähigkeit- und Budgets massiv ausbauen müssen. Denn Trump dürfte kaum bereit sein, künftig für den amerikanischen Schutzschirm zu bezahlen. Dann sprechen wir nicht mehr von 2 Prozent des BIP für die Verteidigungsausgaben, sondern möglicherweise von 5 bis 6 Prozent. Das wird dann intensive Diskussionen auslösen, die wir aber führen müssen.

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Das würde die deutsche Haushalts- und Finanzpolitik allerdings vor immense Probleme stellen.
Wahrscheinlich würde ein Teil der nötigen zusätzlichen europäischen Verteidigungsausgaben über die EU abgedeckt werden, etwa durch einen neuen gesamtschuldenfinanzierten Fonds, dessen Mittel für Aufrüstung oder auch die Unterstützung der Ukraine verwendet werden. Ob dies mit der deutschen Schuldenbremse kompatibel ist, wird sich zeigen.

Lassen Sie uns noch eine Bilanz von Bidenomics ziehen: Ist dieses Programm bereits gescheitert?
Nein, das Programm ist nicht gescheitert – im Gegenteil, viele hätten es gern in Europa und die positiven Zahlen am Arbeitsmarkt und die Investitionen in den USA zeigen, dass Bidens Programme wirken. Aber das kommt bei vielen Wählern von Trump nicht an. Zum einen, weil es einen Reflex gibt ‚warum greift der Staat schon wieder ein‘, zum anderen, weil die Inflation gerade bei den Leuten mit niedrigen und mittleren Einkommen zum Teil brutal zugeschlagen hat. Die Lebensmittel sind mancherorts 20 bis 30 Prozent teurer geworden – und das bei oft stagnierenden Löhnen. 

Spulen Sie bitte mal zehn Monate vor: Wie wird ein mögliches Duell Biden versus Trump diesmal ausgehen? 
Wenn man sich die Unzufriedenheit mit Biden in den Umfragen ansieht und die massive Unterstützung für Trump durch seine Kernwähler auf der anderen Seite, ist es durchaus vorstellbar, dass Trump im November gewinnt. Außer, ein Gericht stoppt ihn noch, aber damit würde ich nicht rechnen. Zudem ist die Motivation im Biden-Wahlkampf-Team nur mittelmäßig und die Unzufriedenheit groß, dass die Demokraten es versäumt haben, einen jüngeren Kandidaten aufzubauen. Also, ich würde mich vorsorglich auf einen Präsidenten Trump einstellen und für diesen Fall planen. 

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