Die WM bietet sportliche Höchstleistungen, Schwimm-Krimis und sorgt für Tränen. Wellbrock zeigt in seinem letzten Doha-Rennen mentale Stärke. So gut wie in Katar war das deutsche Team lange nicht.
Florian Wellbrock war einfach nur erleichtert. Die WM-Silbermedaille über 1500 Meter Freistil nach den zuvor so harten Tagen von Doha ließen den 26-Jährigen in den Katakomben des Aspire Dome einmal tief durchpusten und lächeln. „Die mentale Leistung, die ich heute gebracht habe, ist fast höher einzuschätzen als die körperliche Leistung“, sagte Wellbrock. „Das war ein super wichtiger Schritt, hier mit einer Medaille rauszugehen.“
Wellbrock bescherte dem deutschen Team am letzten Tag der Weltmeisterschaften von Katar die sechste Medaille. Mehr Edelmetall hatte die Nationalmannschaft zuletzt bei den Weltmeisterschaften 2009 in Rom gewonnen. Damals hießen die Erfolgsgaranten noch Britta Steffen und Paul Biedermann.
Guter Auftritt nach drei schwachen Rennen
Vor dem großen und stimmungsvollen Finale war der beste deutsche Schwimmer der vergangenen Jahre weit unter den Erwartungen und seinen eigenen Ansprüchen geblieben. Über 800 Meter Freistil schied der gebürtige Bremer im Vorlauf aus. In der ersten WM-Woche konnte er als Titelverteidiger über zehn und fünf Kilometer im Freiwasser nicht in den Kampf um die Medaillen eingreifen.
Am Sonntag musste er sich nur dem überragenden Daniel Wiffen geschlagen geben. Der Ire siegte mit mehr als 10,5 Sekunden Vorsprung auf Wellbrock. „Das war echt ein Kracher“, sagte Wellbrock anerkennend. Er selbst hatte nach 14:44,61 Minuten angeschlagen.
Signal an sich selbst und die Gegner
Wellbrock fühlte sich an die WM 2019 in Südkorea erinnert. Auch damals hatte er nach einem Vorlauf-Aus über 800 Meter Comeback-Qualitäten gezeigt und über die längste Beckendistanz sogar Gold gewonnen. „Dass ich nach Gwangju jetzt zum zweiten Mal bewiesen habe, dass ich nach solchen Tiefschlägen nochmal stärker rauskommen kann: Das zeigt, dass sich das Kämpfen immer lohnt – egal wie bescheiden es mal laufen kann“, sagte er. „Und das zeichnet mich als Sportler und als Mensch auch aus.“
Wellbrock zeigte sich selbst und der Konkurrenz, dass er nach wie vor zur absoluten Weltspitze gehört. Auf dem Weg zu den Olympischen Spielen in Paris im Sommer hat er trotzdem noch viel Arbeit vor sich. „Es gibt eine Menge zu tun“, sagte er und ergänzte mit Blick auf Wiffens Machtdemonstration: „Da müssen wir am Ball bleiben.“ Die alte Konstanz soll wieder her.
Starke Bilanz des deutschen Teams
Mit nur einer Bronzemedaille waren die deutschen Beckenschwimmer bei der WM in Japan vor gut einem halben Jahr historisch schwach gewesen. Nun können sie mit der Edelmetall-Ausbeute insgesamt sehr zufrieden sein. Sie profitierten bei der ersten WM, die im selben Jahr wie Olympia angesetzt war, aber auch davon, dass zahlreiche Stars im Sinne einer optimalen Sommerspiele-Vorbereitung auf eine Teilnahme verzichteten. Was die im Emirat gezeigten Leistungen mit Blick auf Paris wert sind, ist daher schwer abzuschätzen.
Klar ist: Wie Wellbrock nach seinem guten letzten Rennen verlässt auch Angelina Köhler die WM mit sehr positiven Gefühlen. Sie nimmt reichlich Selbstvertrauen mit. „Es war der Wahnsinn. Es war so viel besser, als ich mir das vorstellen konnte“, sagte die 23-Jährige.
Über 100 Meter Schmetterling krönte sich die aufgeschlossene und meist gut gelaunte Berlinerin zur Weltmeisterin. Seit Britta Steffen 2009 war das keiner deutschen Beckenschwimmerin mehr gelungen. Mit ihrer Goldmedaille etablierte sich Köhler endgültig in der Weltspitze. Lukas Märtens, der Bronze über 400 Meter Freistil holte, ist dort schon länger angekommen.
Goses bitteres Silber-Rennen
Neben Köhler und Vielstarter Wellbrock prägte aus deutscher Sicht vor allem Isabel Gose die Titelkämpfe. Die 21-Jährige gewann die ersten WM-Medaillen ihrer Karriere – und dann gleich drei. Nach jeweils Bronze über 400 und 1500 Meter Freistil holte sie am Samstag Silber über 800 Meter, konnte sich darüber aber zunächst überhaupt nicht freuen. Im Gegenteil: Gose war richtig verzweifelt.
„Es ist so knapp. Ich kriege so eine Chance nie wieder“, sagte sie nach einem wahren Schwimm-Krimi. Die Winzigkeit von neun Hundertstelsekunden hatte sie nach der italienischen Weltmeisterin Simona Quadarella angeschlagen. „Es ist einfach traurig“, sagte Gose noch. Dann weinte sie.
Weil Seriensiegerin Katie Ledecky aus den USA auf eine WM-Teilnahme in Doha verzichtete, war der Kampf um Gold erstmals seit vielen Jahren offen gewesen. Erst mit etwas Abstand setzte sich bei Gose auch Freude über die gezeigten Leistungen durch.