Es könnte schon der letzte Auftritt von Thomas Tuchel als Trainer des FC Bayern München gewesen sein. Sein Team unterlag auch beim VfL Bochum.
Dreimal schallte die Cancan-Musik von Jacques Offenbach aus den Lautsprechern und brachte das Bochumer Stadion an der Castroper Straße zum Explodieren. Die Torhymne des VfL Bochumer könnte zum Abgesang auf Bayern-Trainer Thomas Tuchel werden. 3:2 (2:1) verlor der Rekordmeister das Flutlichtspiel am Sonntagnachmittag gegen den Underdog aus dem Ruhrgebiet – und wenn die Dinge so laufen, wie sie nun mal oft in München laufen, könnte dies schon die letzte Niederlage Tuchels gewesen sein.
Inzwischen stehen drei Pflichtspielniederlagen hintereinander auf dem Konto des FC Bayern. Man muss schon sehr lange zurückschauen, um solch eine Pleiteserie beim früheren Ligaprimus zu finden, neun Jahre, um genau zu sein.
Ist die Ära Thomas Tuchel beim FC Bayern München schon vorbei?
Die Saison 2023/2024 könnte die erste seit 2012 sein, die die Münchner ohne Titel abschließen. Ein blamables Zweitrundenaus gegen den Drittligisten 1. FC Saarbrücken im DFB-Pokal, in der Bundesliga nunmehr acht Punkte hinter Spitzenreiter Bayer Leverkusen und in der Champions League nach dem 0:1 im Achtelfinal-Hinspiel bei Lazio Rom alles andere als auf Finalkurs. Und dazu immer wieder Berichte, wonach es zwischen Trainer Tuchel und seinem Starensemble auch nicht so wirklich rundläuft – die kommende Woche an der Säbener Straße dürfte für 50-Jährigen den ungemütlich werden.
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Dabei sah es in Bochum zunächst nach einem Befreiungsschlag aus. Eine frühe Führung durch Jamal Musiala (14. Minute) sollte Sicherheit ins Münchner Spiel bringen, Harry Kane ließ wenig später sogar das 2:0 liegen, ehe Schiedsrichter Daniel Schlager die Partie für rund zwölf Minuten unterbrach. Die Fans des FC Bayern und des VfL Bochum verbindet eine traditionsreiche Freundschaft – und so zog man gemeinsam an einem Strang gegen die Deutsche Fußball-Liga (DFL) und deren Pläne, einen Investor ins Fußballboot zu holen. Tennisbälle flogen aufs Spielfeld, man kennt es inzwischen.
Und hätte es einen Beweis gebraucht, wie sehr solche Unterbrechungen die Profis aus dem Takt bringen können: Der FC Bayern lieferte ihn. Musiala vertändelte den Ball in der gegnerischen Hälfte, Bochums Anthony Losilla setzte sich gegen Joshua Kimmich durch und bediente Takuma Asano, der aus 15 Metern zum Ausgleich traf (38.). Cancan Nummer eins.
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Bochum spielte fortan befreit auf, Bayern München wirkte verunsichert. Eine Ecke von Bochums Kevin Stöger landete in der 44. Minute passgenau auf dem Kopf von Keven Schlotterbeck, der nur noch einnicken musste, Cancan Nummer zwei. Spiel gedreht in nur sechs Minuten. Thomas Tuchels Kopf versank derweil immer weiter in seinem hochstehenden Jackenkragen. Das wird nicht nur am strömenden Regen in Bochum gelegen haben.
Nach dem Seitenwechsel entwickelte sich ein munterer Schlagabtausch. Dass sich hier der Tabellenzweite und der vor dem Anpfiff Tabellenvierzehnte gegenüberstanden, war nicht auszumachen – bis das Spiel erneut unterbrochen wurde. Schiedsrichter Schlager bat beide Teams in die Kabine. Tennisbälle, die zweite. „Scheiß DFL“-Sprechchöre aus beiden Fänblöcken. In den Katakomben schien Tuchel die richtigen Worte gefunden haben, Bayern drückte fortan auf den Ausgleich, kam aber nicht durch die kompakt stehende Abwehrreihe des VfL Bochum.
In der Schlussviertelstunde fing sich Bochum wieder und wurde in der 78. Minute belohnt. Nach einem Ellbogencheck beim Kopfballduell mit Nico Schlotterbeck flog Bayerns Dayot Upamecano vom Platz und Schlager zeigte auf den Punkt. Kevin Stöger aus elf Metern, Cancan zum Dritten und ein Thomas Tuchel, der tief in seinen Trainersitz versunken dem Treiben seiner Elf im Tollhaus Ruhrstadion kaum noch zuschauen mochte – daran konnte auch der Anschlusstreffer von Harry Kane (87.) nichts ändern. Wieder einmal zeigte sich an diesem Sonntagnachmittag: Gegen aufopferungsvoll kämpfende Teams tut sich der Rekordmeister schwer. Thomas Müller wies zuletzt mehrfach auf ein mögliches Einstellungsproblem der Tuchel-Elf hin.
Daran habe es nicht gelesen, zeigte sich Tuchel nach dem Abpfiff im Dazn-Interview überzeugt. Die Niederlage sei „nicht gerecht gewesen“, es sei „extrem viel gegen uns gelaufen“. Doch was die mangelnde Torausbeute angeht, wirkte Tuchel ratlos. Er dürfte gewusst haben, was nun auf ihn zukommen wird. Es wird sich zeigen, was seine Durchhalteparolen und die Treueschwüre der Bayern-Oberen aus den vergangenen Tagen nach der Blamage gegen den VfL Bochum wert sind. Ans Aufgeben, so viel stellte er klar, denkt Tuchel nicht. Und doch ist seine Zukunft beim Rekordmeister ungewisser denn je.