Die Meldung über den Tod von Alexej Nawalny platzt mitten in den Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz. Dort hat Wladimir Putin einst dem Westen den Krieg erklärt. Nun ist endgültig klar, wie ernst dies gemeint war.
München war der Ort, an dem Wladimir Putin den neuen Kalten Krieg ausrief. Im Jahr 2007 trat der russische Präsident vor die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Sicherheitskonferenz und donnerte: „Niemand fühlt sich mehr sicher.“ Schuld daran seien die USA, sie hätten ihre Grenzen „in allen Sphären überschritten“. „Wem gefällt das schon?“, fragte Putin provokant.
In den Jahren danach wurde immer klarer, wie ernst der russische Präsident diese neue Konfrontation meinte, er musste dafür gar nicht mehr persönlich bei den Folgekonferenzen erscheinen: Der Krimkrieg, die Ukraine-Invasion… Natürlich war Putin auch dieses Jahr, bei der 60. Ausgabe der Sicherheitskonferenz, nicht persönlich zugegen. Und doch wurde die Tiefe des russischen Bruchs mit dem Westen so deutlich wie nie, als nämlich die Nachricht vom Tod des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny mitten in den Beginn der Konferenz platzte.
Münchner Sicherheitskonferenz: der Kalte Krieg wird noch kälter
Die Reaktionen waren unmittelbar und sie waren außerordentlich undiplomatisch. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schrieb auf X: „Im heutigen Russland werden freie Geister in den Gulag gesteckt und dort zum Tode verurteilt“. „Wir werden ihnen nie vergeben“, gab Polens Präsident Donald Tusk zu Protokoll. Man müsse kein Kriminalist sein, um einen dringenden Tatverdacht zu haben, sagte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius. Nawalnys Frau Julia gab gar ein kurzes Statement auf der Bühne ab, sie warnte davor, Putin und seiner Regierung irgendetwas zu glauben. „Sie lügen immer… Putin und alle, die für ihn arbeiten. Ich möchte, dass sie wissen, dass sie nicht straflos davonkommen werden.“ Der Beifall im Saal war ohrenbetäubend. EIL Nawalny tot 12.45
„Frieden durch Dialog“ lautet eigentlich das Motto der Sicherheitskonferenz. Daran ist, zumindest mit Russland, nicht mehr zu denken – was den versammelten Staatslenkern erneut vor Augen führte, wie radikal die „Zeitenwende“ ausfallen dürfte. Zwar bemühte sich der Westen demonstrativ, die Reihen zu schließen. US-Vizepräsidentin Kamala Harris erinnerte, die USA wollten weiter „führen“ und meinten den Schutz seiner Verbündeten nach wie vor ernst. Aber Harris ist eben auch nur die Nummer zwei einer möglicherweise scheidenden Biden-Regierung. Donald Trump hingegen, das andere große Gespenst über dieser Tagung, hatte ja vor wenigen Tagen klargemacht, wie lächerlich er die Beistandspflichten der Nato findet – und wie wenig er bereit ist, Länder zu verteidigen, die aus seiner Sicht militärisch nicht genug beitragen.
Guterres eröffnet 60. Münchner Sicherheitskonferenz9.48
Französische Konferenzvertreter diskutieren zwar in München fleißig über eine mögliche europäische Atombombe unter französischer Führung. Aber in Paris könnte bald schon die Populistin Marine Le Pen an die Macht kommen, die solche Pläne vehement ablehnt. Am Samstagmorgen wird in München Bundeskanzler Olaf Scholz sprechen, dessen Regierung jedoch bislang nicht einmal die „Zeitenwende“ wirklich sicher durchfinanziert hat.
Worüber der Westen in München dieses Jahr also sprechen muss: eine ganz neue europäische Sicherheitsarchitektur, die viele Milliarden Euro kosten dürfte. Ein Dauerringen mit Russland, das auf viele Jahre hinaus kein Dialogpartner sein kann. Einen Ukraine-Krieg, der auch ein Krieg der Werte ist. Wie lange halten die Länder des Westens mit ihren oft politisch gespaltenen Öffentlichkeiten diese Auseinandersetzung durch? Ein erstes Fazit des ersten Tages der Sicherheitskonferenz: Größer war die Verunsicherung des Westens vielleicht noch nie.