Legalisierung: Niedersachsens Innenministerin hält Cannabis-Gesetzentwurf für „Murks“

Die Ampel-Koalitionsfraktionen hatten sich auf Details einer kontrollierten Cannabis-Freigabe verständigt. Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens und Hessens Kultusminister Armin Schwarz üben Kritik. 

Der Gesetzentwurf der Ampel-Fraktionen zur Cannabis-Legalisierung ist nach Ansicht von Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens an mehreren Stellen problematisch. „Der nun vorliegende Entwurf ist Murks, denn es ist ein schlechter Kompromiss“, sagte die SPD-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur in Hannover.

„Deshalb wird er auch von zahlreichen Seiten kritisiert, so zum Beispiel von den Kinder- und Jugendärzten, den Polizeien der Länder, der Justiz und auch den Suchtberatungsstellen.“ Alle guten Hinweise seien fast vollständig ignoriert worden, kritisierte die Ministerin. „Und daher kann man zumindest aus heutiger Sicht der Polizei sagen: Das Gesetz ist nicht praxistauglich. Das eigentliche Ziel, mit einer gesteuerten Abgabe zahlreiche Verbesserungen und Entlastungen zu erreichen, wird so in der Praxis fehlschlagen.“

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Auch Hessens Kultusminister Armin Schwarz (CDU) befürchtet durch die geplante Cannabis-Legalisierung erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. „Hier wird von der Bundesregierung das völlig falsche Signal gesetzt“, erklärte er in Wiesbaden. „Ich befürchte eine neue Drogenwelle auf unsere Schulen zukommen.“ Statt Cannabis mit der Legalisierung gesellschaftsfähig zu machen, sollte den Jugendlichen mehr ins Bewusstsein gebracht werden, dass die gesundheitlichen Risiken gerade für sie besonders hoch sind, wie Schwarz bekräftigte.

Cannabis-Gesetz soll bald im Bundestag beschlossen werden

Die Ampel-Koalitionsfraktionen hatten sich kürzlich auf Details einer kontrollierten Freigabe verständigt. Eigenanbau und Besitz bestimmter Mengen der Droge sollen demnach für Volljährige ab 1. April erlaubt sein. Zum 1. Juli sollen Clubs zum gemeinsamen Anbau möglich werden. Cannabis soll im Betäubungsmittelgesetz von der Liste der verbotenen Substanzen gestrichen werden. Vorgesehen sind zahlreiche Regeln und Vorgaben. Erwartet wird, dass das Gesetz voraussichtlich in der kommenden Woche im Bundestag beschlossen werden soll.

Weiter sagte die Innenministerin: „Da das Gesetz nicht zustimmungspflichtig ist, können wir Länder dieses auch leider nicht mehr verhindern, wenn der Bundestag es so beschließt. Wir müssen dann mit diesem problematischen und praxisfernen Gesetz arbeiten. Meiner Meinung nach müsste es einen Neustart geben.“ Aktuell habe sich die Ampel zu sehr mit dem bisherigen Entwurf verhakt und wolle jetzt mit dem Kopf durch die Wand, „statt die wesentlichen und wichtigen Hinweise der Länder und Experten ernst zu nehmen.“

Kontrollen für Polizei nicht umsetzbar

Weitere Probleme sieht Behrens bei den Kontrollvorschriften, diese seien sehr komplex. Die Kontrollen zu den Cannabis-Clubs seien für die Polizei und die Ordnungsbehörden überhaupt nicht praktikabel umsetzbar. „Auch gibt es keine vernünftige Präventionsarbeit für Kinder und Jugendliche. Das war ein wesentliches Versprechen. Es gibt aber weder extra Geld dafür, noch werden die Strukturen in diesem Bereich verbessert.“ Damit werde ein fatales Signal gesendet. Cannabis sei keine harmlose Droge, „der Genuss kann massive Auswirkungen haben“, betonte Behrens.

Minister Schwarz warnte vor der Gefahr psychischer Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen und Psychosen. „Die Auswirkungen auf das sich noch entwickelnde Gehirn der Jugendlichen sind laut Wissenschaft gravierend, die Lern-, Gedächtnis- und Konzentrationsleistung kann sich abhängig vom Konsum stark verschlechtern“, erläuterte er.

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Zudem werde durch das Gesetz der Schwarzmarkt nicht ausgetrocknet. „Vielmehr können die Cannabisclubs den Bedarf nicht decken. Daher ist es wahrscheinlich viel einfacher und anonymer, sich weiterhin über den Schwarzmarkt zu versorgen, als in einen Cannabis-Club zu gehen.“ Und damit fände eine kontrollierte Abgabe im Grunde nicht statt und sorge nicht für die geplante Entlastung von Polizei und Justiz.

Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) forderte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf, angesichts der deutlichen Kritik aus der eigenen Partei das umstrittene Vorhaben zu stoppen. „Die Bundesregierung darf die Warnungen auch von Ärzten sowie aus der Polizei und Justiz nicht länger ignorieren.“ Es sei unverantwortlich, die gesundheitlichen Risiken durch Cannabis insbesondere für junge Menschen zu verharmlosen. 

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