Landgericht Braunschweig: Prozess gegen Verdächtigen im Fall „Maddie“ beginnt – das wird Christian B. vorgeworfen

Schwere Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Kindern: Christian B. muss sich ab diesem Freitag vor dem Landgericht Braunschweig wegen Straftaten verantworten. Der 47-Jährige ist zugleich der Hauptverdächtige im Fall der vor mehr als 20 Jahren verschwundenen „Maddie“ McCann.

Die Weltpresse blickt nach Braunschweig: Am Landgericht startet an diesem Freitag der Prozess gegen den Hauptverdächtigen im Vermisstenfall Madeleine „Maddie“ McCann. Christian B. muss sich darin wegen des Vorwurfs von insgesamt fünf Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung verantworten. Die Ermittlungen im Fall des vermissten britischen Mädchens gegen den 47-Jährigen bleiben davon unberührt. Sie gehen weiter, betonten die Ermittler immer wieder.

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Laut Anklage soll B. irgendwann zwischen dem Jahr 2000 und dem Jahr 2006 eine bislang unbekannte Frau in deren Schlafzimmer aufgesucht haben. „Dann soll der maskierte Angeschuldigte das Opfer gefesselt und vergewaltigt haben. Anschließend habe er mehrfach mit einer Peitsche auf das Opfer eingeschlagen“, erläuterte der Braunschweiger Staatsanwalt Hans Christian Wolters in einer Mitteilung vom Oktober 2022. B. soll Videoaufnahmen der Tat gemacht haben.

Christian B. werden fünf Taten vorgeworfen

Fast derselbe Modus Operandi soll einer Tat im April 2004 zugrunde liegen. B. soll nachts eine damals 20 Jahre alte Irin in deren Wohnung überrascht, geweckt, mit einem Messer bedroht und vergewaltigt haben. „Anschließend habe der Angeschuldigte die Frau an einen Tisch gefesselt, geknebelt und erneut vergewaltigt“, so Wolters. „Sodann habe er das Opfer mit einer mitgebrachten Peitsche auf dem Rücken ausgepeitscht und schließlich gewaltsam den Oralverkehr mit dem Opfer ausgeführt.“ Auch diesen Fall soll B. gefilmt haben.

Seine Brutalität lebte B. mutmaßlich auch an Minderjährigen aus: In den frühen 2000ern lief laut Staatsanwaltschaft ebenfalls seine Videokamera, als eine unbekannte Jugendliche von ihm nackt an einen Holzpfahl gefesselt und ausgepeitscht worden sein soll, ehe B. das Mädchen zum Oralverkehr gezwungen habe.

2007 soll B. eine weitere Tat begangen haben. Er soll ein zehnjähriges Mädchen in den Felsen des portugiesischen Urlaubsortes Salema „grinsend“ gezwungen haben, ihm bis zum Samenerguss bei der Selbstbefriedigung zuzuschauen, laut Anklage „um sich dadurch sexuell zu erregen“.

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Im Juni 2017 folgte die Festnahme des Verdächtigen. Hier soll er während eines Volksfestes an der Algarve ebenfalls vor den Augen eines Kindes masturbiert haben. Das Opfer: ein elfjähriges Mädchen. Das Kind sei hilfesuchend zu seinem Vater gelaufen, der die Polizei alarmiert habe. Noch vor Ort wurde B. gestellt.

Das Landgericht hat nun insgesamt 29 Verhandlungstage angesetzt, mit einem Urteil in dem Mammutprozess wird im Juni 2024 gerechnet. „Nach Aktenlage muss der Angeklagte mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren rechnen“, sagte Staatsanwalt Wolters der Nachrichtenagentur DPA im Vorfeld des Prozesses. Eventuell komme auch eine anschließende Sicherungsverwahrung in Betracht. Friedrich Fülscher, Verteidiger von Christian B., forderte Freisprüche für sämtliche Anklagepunkte. Ob sich sein Mandant vor Gericht äußern werde oder plane, zu schweigen, ließ der Anwalt noch offen. Bis zum vor Gericht erbrachten Beweis für eine Schuld gilt B. als unschuldig. 

Derzeit sitzt Christian B. noch die siebenjährige Haftstrafe für die Vergewaltigung einer US-Amerikanerin im Jahr 2005 ebenfalls im portugiesischen Praia da Luz ab. Diese wäre nach früheren Angaben der Staatsanwaltschaft im September 2025 voll verbüßt.

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Die Braunschweiger Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass B. auch für das Verschwinden von Madeleine verantwortlich ist. Die Indizien sprechen laut Braunschweiger Staatsanwaltschaft dafür, einige davon machten die Ermittlerinnen und Ermittler öffentlich: Der Verdächtige sei 2007 mit einem dunkelroten Jaguar und einem weiß-gelben VW-Bus an der Algarve unterwegs gewesen. „Es liegen Hinweise vor, wonach er (Christian B.; Anm. d. Red.) eines dieser Fahrzeuge zur Begehung der Tat genutzt haben könnte“, hieß es zuletzt beim BKA in Wiesbaden.

Was geschah mit Madeleine „Maddie“ McCann?

Auch soll B. rund um den Zeitpunkt des Verschwindens der Dreijährigen in Praia da Luz, dem Urlaubsort der McCanns, telefoniert haben. Es bestehe Mordverdacht gegen Christian B. „Wir gehen davon aus, dass das Mädchen tot ist“, verkündete Wolters schon im Juni 2020 vor der versammelten Weltpresse. Es gebe „Sachbeweise“ für den Tod Madeleines, sagte Wolters später in einem Interview. Zur Frage, um welche Beweise es sich handelt, wollte er auf Nachfrage keine Auskunft geben – möglicherweise, um die weiteren Ermittlungen nicht zu gefährden. Wolters sagte: „Christian B. hat kein Alibi.“

Maddie Akte Christian B. Madeleine McCann 17.40

Der Fall „Maddie“ zählt zu den bekanntesten Vermisstenfällen weltweit. Das Mädchen verschwand am Abend des 3. Mai 2007 spurlos und unter ungeklärten Umständen aus der Ferienwohnung ihrer Eltern im portugiesischen Praia de Luz, während diese in einem nahe gelegenen Restaurant essen waren. Kate und Gerald McCann starteten eine medienwirksame Suchkampagne für ihre Tochter und schafften es, dass der Fall nie in Vergessenheit geriet. Doch die weltweite Sensation, die Aufklärung des Falles, lässt weiter auf sich warten. Christian B. bestreitet, etwas mit der Entführung von Madeleine McCann und dem möglichen Mord an dem Mädchen zu tun zu haben.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel erschien erstmals am 30. November 2023 und wurde aktualisiert.

Quellen: Landgericht Braunschweig, Staatsanwaltschaft Braunschweig, Nachrichtenagentur DPA

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