Seit Monaten wird Deutschland in die Krise geredet, sogar von zwei wichtigen Ministern. Das ist Wahnsinn. Es gibt nämlich auch viele gute Nachrichten.
Ich habe heute verdammt gute Laune. Das liegt am Wirtschaftsteil des „Kölner Stadt-Anzeigers“, meines Heimatblatts. Die Schlagzeilen heute: „Mehrere Kaufangebote für Galeria.“ „Uniper plant Rückzahlung an Bund.“ „Deutschland wieder Nummer drei“ (der global stärksten Wirtschaftsnationen). „Rekordgewinn für Commerzbank.“ „Frosta meldet Gewinnsprung.“ „Gute Geschäfte bei Douglas.“ „Airbus hängt US-Rivalen Boeing ab“ (Deutschland hält knapp elf Prozent an Airbus).
Und dann noch die Hammernachricht auf dem Titelblatt der Zeitung: „Microsoft baut Rechenzentrum für Milliarden Euro in der Region.“ Nämlich bei Bergheim, dort, wo Menschen in den kommenden Jahren den Wandel von der Braunkohle in eine neue, klimafreundliche Zukunft durchleben müssen und dabei ihre Arbeitsplätze verlieren. Ich könnte die Baustelle von meinem Schreibtisch aus sehen, läge mein Büro auf einem Hügel.
Das alles beschreibt das Gegenteil des Gejammers, das seit Monaten auf uns alle ständig einprasselt. Vor allem Lobbyisten haben es über die Presse und soziale Medien geschafft, die Meinungshoheit zu erobern und das Land in Grund und Boden zu quatschen. Von den Bauernverbänden über die Handwerker bis zu den Eisenbahnern.
„Dramatisch schlecht“
Als würde das alles nicht schon ausreichend übertrieben sein, stimmen nun auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner in den kollektiven Abgesang ein. Gestern setzte die Bundesregierung die Wachstumsprognose für 2024 von 1,3 auf 0,2 Prozent herab (was nichts weiter bedeutet als eine Momentaufnahme, am Ende können es auch 0,5 Prozent und mehr werden). Lindner sagte: „Ich finde das nachgerade peinlich und in sozialer Hinsicht gefährlich.“ Habeck pflichtet bei: Die Konjunkturaussichten seien „dramatisch schlecht“.
Absurde Worte und ein ziemlicher Wahnsinn. Als hätten die Minister mit unserer Volkswirtschaft rein gar nichts zu tun.
Schluss mit dem Gejammer! Das sehen natürlich auch Habeck und Lindner im Stillen so. Ihre Aussagen sind vor allem vorgezogenes Wahlkampfgetöse. Es geht ihnen um den richtigen Weg zu einer aktivierenden Wirtschaftspolitik. Beide beanspruchen, ihn zu kennen, liegen aber diametral auseinander. Habeck will die Schuldenbremse lockern und mit Milliardeninvestitionen die Konjunktur ankurbeln. Lindner will als Sparfuchs in die Geschichte eingehen – wie der Knabe, der am Weltspartag mit roten Wangen seine prall gefüllte Spardose vor dem Sparkassenmitarbeiter auskippt.
Es braucht jetzt schnell den Mutmodus
Wir Deutsche müssen schnell in den Mutmodus zurückfinden. Das Land hat eine Menge aufzuholen, keine Frage. Vor allem muss die Bürokratie entschlackt werden, aber diese war auch schon in den besten Konjunkturphasen viel zu zäh. Wir brauchen auch attraktivere Strompreise, was schnell zu bewerkstelligen wäre, wenn die rigorose Sparpolitik die Ampel nicht daran hindern würde, die Stromsteuer zu senken.
Und wir brauchen staatliche Investitionen. Jede Volkswirtschaft braucht Investitionen, in guten wie in schlechten Zeiten. Ein Bundeshaushalt ist nun mal nicht dasselbe wie ein Privathaushalt, zu sparen ist keine Tugend. Das müssten die Liberalen, die Lobbyisten des Mittelstands, am besten wissen – behaupten aber in Talkshows gern das Gegenteil: „Sie kennen das doch selbst von zu Hause, liebe Zuschauer…“. Wer als Unternehmer – und das ist ein Staat auch zu großen Teilen – in schwachen Zeiten nur knausert und nicht investiert, geht unter.
Es gibt viele gute Nachrichten, aber die dringen kaum mehr durch. So stieg der Index des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), der die deutschen Konjunkturerwartungen beschreibt, im Februar überraschend deutlich an. Wir sollten das Milliardeninvestment von Microsoft als Aufbruchssignal verstehen. Wenn der Digitalriese aus Redmond (ohne das Lockmittel Subventionen) an unser Land und seine starken Unternehmen glaubt, sollten wir das schon lange tun. Politik ist zu guten Teilen Psychologie. Schalten wir um in den Modus Zuversicht. „Hoffnung beschwingt Gedanken. Liebe Hoffnung!“ lautet ein weiser Rat von Johann Wolfgang von Goethe.