Die Klimaneutralität ist eine Mammutaufgabe, doch es gibt Innovationen auf dem Weg dorthin. Algen aus Sachsen-Anhalt sind etwa eine Alternative zu fossilen Rohstoffen.
Jedes Jahr gehen laut Umweltbundesamt weltweit zehn Millionen Hektar landwirtschaftlicher Flächen verloren, vor allem, weil sie mit Siedlungen und Straßen bebaut werden. Bei einer gleichzeitig wachsenden Weltbevölkerung stellt sich die Frage, wie es gelingen kann, immer mehr Menschen von immer knapper werdenden Böden, die für den Anbau zur Verfügung stehen, ernähren zu wollen.
STERN PAID 39_22 Blumen nachhaltig Blühe langsam 18.44
Ein Teil der Lösung können Algen sein. Sie enthalten viele Proteine, Vitamine und Mineralstoffe – und sind dabei genügsame Wesen: Algen benötigen wenig Fläche und wachsen bis zu 30-mal so schnell wie Ackerpflanzen. Sie eignen sich außerdem als Futtermittel und haben das Potenzial, fossile Rohstoffe teilweise zu ersetzen, zum Beispiel in Chemikalien oder Kosmetika. Plastikersatz aus Algen steckt in Sneakern und Skiern, Pizzateig wird aus ihnen gemacht. In Forschungsprojekten wird aus Algen Carbon hergestellt, das Stahl ersetzen soll.
In Sachsen-Anhalt steht die erste Industrie-Algenfarm Europas
Europas erste Algenfarm im industriellen Maßstab steht in Klötze in Sachsen-Anhalt. Dort werden seit über 20 Jahren Mikroalgen angebaut. Um die Farm ist ein Cluster für Algenforschung und -produktion entstanden. Eine weitere Algenregion gibt es in Frankreich rund um die bretonische Stadt Nantes.
Jörg Ullmann ist der Geschäftsführer der Algenfarm Klötze.
Wie kamen Sie dazu, sich mit Algen zu beschäftigen?
Ich bin Biologe und stieg 2004 in die Farm ein, als sie nach einer Insolvenz neu gestartet wurde. Algen waren exotisch. Heute gibt es in Europa rund 300 Farmen.
Was fasziniert Sie daran?
Es gibt kaum eine Herausforderung, die wir als Menschheit mit der Hilfe von Algen nicht zumindest annähernd lösen können, sei es bei Lebens- und Futtermitteln oder um Produkte aus Erdöl teilweise zu ersetzen.
Wie hat sich die Wahrnehmung von Algen verändert?
Stand ich früher mit meinem grünen Pulver vor der Tür, wussten die Unternehmen nichts mit mir und den Algen anzufangen. Heute ist das Interesse in der Industrie groß, und im Supermarkt auf dem Dorf gibt es Algensalat. Der Wandel brauchte 20 Jahre. Für die nächsten Transformationen, die anstehen, ist es interessant zu wissen, wie lange so etwas dauern kann.