Verstoß gegen Sanktionen: Blaue Haken für Hisbollah: Wie Musks Geschäftsmodell für X ihm nun mächtig Ärger einbringt

Mit seinem Abo-Angebot will Elon Musk seinen Kurznachrichtendienst X endlich profitabel machen. Doch einige zahlende Kunden hätte er wohl lieber ablehnen sollen. Etwa, weil sie als Terroristen bewertet werden.

Es war Elon Musks großer Plan, den viel zu teuer eingekauften Kurznachrichtendienst Twitter, heute in X umgetauft, endlich aus den roten Zahlen zu holen. Statt die Nutzer kostenlos zu verifizieren, kann man sich die blauen Bestätigungs-Haken seit letztem Jahr einfach kaufen – und bekommt dadurch noch einige weitere Vorteile. Doch offenbar versagt das Unternehmen bei der Kontrolle: Gleich mehrere Kunden stehen auf Sanktionslisten der USA – als Terroristen oder Staatsfeinde.

Das zeigt eine Untersuchung des Tech Transparency Project (TTP), einer Nichtregierungsorganisation, die Techfirmen zu verantwortlicherem Handeln bewegen will. Dem Bericht zufolge versorgt der Kurznachrichtendienst „zwei Anführer von Terrorgruppen sowie mehrere weitere von den USA mit Sanktionen belegte Organisationen mit seinen Premium-Diensten“. Das Problem: Das ist nach geltendem US-Recht explizit verboten.

Mit Twitter wollte Elon Musk die Wahrheits-Maschine bauen und die Medien ersetzen. Jetzt steht er vor einem Desaster 11.54

Terroristen und sanktionierte Banken

Den Watchdogs zufolge handelt es sich bei den beiden Terrorführern um die Anführer der libanesischen Hisbollah. Der militärischen Arm der gleichnamigen Partei wird von den USA und auch von Deutschland als Terrorgruppe bewertet. Auch iranische und russische Organisationen wurden von X demnach als Bezahlkonten angezeigt. Das verstößt allerdings gegen die Sanktionen der USA gegen die beiden Staaten: Geschäfte mit sanktionierten Ländern und Organisationen sind für US-Firmen wie X nur mit einer Ausnahmegenehmigung der Regierung erlaubt.

Das Argument der Unwissenheit, mit wem man es zu tun hatte, dürfte X kaum anbringen können. So wurde der Hisbollah-Generalsekretär, Hassan Nasrallah, explizit als „Ausweis-Verifiziert“ angezeigt. Dafür muss man sich mit einem gültigen Dokument und einem Selfie identifizieren. Zwei der sanktionierten Organisationen, die russische Tinkoff Bank und das iranische Staatsfernsehen, waren gar Teil des Programms für verifizierte Firmen. Der goldene Haken, der das signalisiert, kostet 1130,50 Euro im Monat. 

Und auch auf die Vorbesitzer kann Musk die Schuld nicht abwälzen: 18 der im TTP-Bericht identifizierten Accounts wurden nach dem April 2023 verifiziert – also lange nach Musks Übernahme des Unternehmens.

FS Elon Musk 20.25

Musks X weist die Schuld von sich

Der Kurznachrichtendienst hat sich in einem Statement zu den Vorwürfen geäußert. „X verfügt über ein robustes und sicheres Konzept für unsere Monetarisierungsfunktionen, das die gesetzlichen Verpflichtungen einhält, sowie über eine unabhängige Überprüfung durch unsere Zahlungsanbieter“, antwortete das Unternehmen auf einen Tweet des TTP. „Mehrere der im Tech-Transparenzbericht aufgeführten Konten werden nicht direkt auf Sanktionslisten genannt, während einige andere möglicherweise sichtbare Kontohäkchen haben, ohne dass sie Dienste erhalten, die Sanktionen unterliegen würden“, versucht man die Vorwürfe zu relativieren. Die verantwortlichen Teams würden die Lage prüfen.

Tatsächlich scheinen einige der Accounts bereits ihre Verifikation wieder verloren zu haben. Nach Angaben von „Ars Technica“ hatte etwa Nasrallahs Account kurz nach Erscheinen des TTP-Berichts tatsächlich noch einen blauen Haken, mittlerweile ist er aber verschwunden. 

Verstöße gegen Handelssanktionen können weitreichende Folgen haben. Das US-Recht sieht hohe Geldstrafen vor, die in der Vergangenheit auch schon Milliardenhöhe erreichten. Selbst Haftstrafen sind unter Umständen möglich. Angesichts der niedrigen geflossenen Geldsummen dürfte man in Bezug auf X aber sicher nicht von Höchststrafen ausgehen. Auch dass die Behörden aktuell überhaupt ermitteln, ist bislang nicht bekannt.

Musks gescheiterter Plan für X

Für Musk ist es allerdings ein weiterer Schlag gegen das bisher nicht gerade von Erfolg gekrönte Geschäftsmodell seines Kurznachrichtendienstes. Seit der Übernahme hat Musk auf Basis einer extrem weitgefassten Definition von Meinungsfreiheit zahlreiche einst gesperrte Accounts wieder freigeschaltet, die Moderation weitgehend heruntergefahren. In der Folge wurde eine Zunahme an Hassrede und Beleidigungen beobachtet, viele Werbekunden zogen sich zurück. Dass Musk darauf mit Attacken auf die Kunden reagierte und immer wieder Verschwörungstheorien und antisemitische Thesen teilte, verschärfte die Lage noch weiter. Die Einnahmen durch das Premium-Modell konnten diese Ausfälle nicht wieder auffangen. 

Das zeigt sich nirgendwo deutlicher als am Wert des Unternehmens: 44 Milliarden Dollar hatte Musk im Oktober 2022 für Twitter gezahlt. Nach Ansicht des Investments-Unternehmens Fidelity ist der Dienst mittlerweile höchstens 12,5 Milliarden Dollar wert, meldet Axios unter Berufung auf interne Dokumente der Firma. Ein Interesse, den Wert klein zu reden, hat Fidelity nicht: Als Großinvestor machte es den Deal für Musk überhaupt erst möglich.

Quellen: Tech Transparency Project, Statement von X, Ars Technica, Axios

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