Beim Politischen Aschermittwoch geht es in der Regel schlicht und rustikal zu. Auch in diesem Jahr? Die wichtigsten Momente des Tages.
Zum ersten Mal in der Geschichte des Politischen Aschermittwochs muss ein Text über die denkwürdigsten Momente nicht mit der CSU anfangen, sondern mit den Grünen. Bei denen war nämlich wirklich was los – nur ganz anders als geplant. Deshalb schauen wir erst ins Ländle, bevor es nach Bayern geht. Hier sind die Tops und Flops am Ehrentag des Stammtischs.
Die übelste Mischung
Erst um 11.45 Uhr steht der erste Grüne auf der Bühne der Stadthalle im schwäbischen Biberach. Da hätte der Politische Aschermittwoch längst begonnen haben sollen. Man hatte schließlich allerhand Parteiprominenz angekarrt – Parteichefin Ricarda Lang, Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der scheidende Altmeister Jürgen Trittin wollten sich die Ehre geben. Und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir.
Ihm oder genauer: seiner Kundschaft ist es dann zu verdanken, dass nun Michael Groß, der Mitorganisator vom Grünen-Kreisverband Biberach, auf die Bühne steht und das Unausweichliche verkünden muss: „Wir haben uns entschieden, nach einer engen Absprache mit den Sicherheitsbehörden, den Politischen Aschermittwoch heute leider absagen zu müssen“, verkündet Groß. „Wir sehen nicht, dass wir eine ordnungsgemäße Durchführung hier garantieren können.“ Es habe vor der Halle „zum Teil auch aggressive Stimmungen“ gegeben.
Vor der Halle hatten Landwirte schon im Morgengrauen einen Misthaufen abgeladen – gespikt mit grünen Wahlplakaten. Immer mehr Bauern waren gekommen, einige haben ihre Traktoren mitgebracht. Fuhrunternehmer, Handwerker und Pflegekräfte haben die Proteste unterstützt – jedenfalls hatten sie im Vorfeld einen Aufruf zur Demo mitunterzeichnet. Gemeinsam hupten und brüllten sie nun – und blockierten die Eingänge zur Halle. Wer schon drinnen war, musste spätestens dann wieder raus, als ein Feueralarm die Räumung der Halle erzwang. Das war noch bevor einige der wütenden Menschen mitgebrachte Strohballen in Brand setzten.
„Wir waren bereit zum Dialog und haben auch Gesprächsangebote gemacht“, aber die seien leider ausgeschlagen worden, klagt die örtliche grüne Bundestagsabgeordnete Anja Reinalter. Da hatte sich sogar die Chefin des Kreisbauernverbandes bereits von den Protesten distanziert. Minister Özdemir sprach dann doch noch mit einigen Landwirten. Danach hatte es nicht ausgesehen, als er am Vormittag auf einem Anhänger stehend, versuchte zu ihnen zu sprechen – aber nur hämisches Lachen und Buhrufe ernten konnte. „Dass sie nicht fair sind, das haben ich verstanden“, hatte Özdemir da gerufen.
Grüne sagen politischen Aschermittwoch in Biberach ab
Und trotzdem gab es heute einen grünen Politischen Aschermittwoch, so richtig mit Bier und Musik. Nur andernorts. 200 Kilometer entfernt, im niederbayerischen Landshut, durfte Parteichef Omid Nouripour weitgehend ungestört reden – und auch mal klarmachen, dass längst nicht alle Klischees über seine Partei stimmten. Er habe sich, erzählte Nouripour, morgens im Hotel wirklich auf ein zünftiges Weißwurst-Frühstück gefreut. „Dann kommt die Kellnerin und fragt, ob ich den Cappuccino mit Hafermilch will.“ Ja, ist denn auf nichts mehr Verlass?!
Die deutlichste Botschaft
Einer der besonders gerne auf die Grünen schimpft, ist Markus Söder. Es dauert nur wenig mehr als eine Minute, bis der CSU-Chef in Passau das erste Mal klarstellt: keine Koalition mit den Grünen – „nicht gestern, nicht heute, nicht morgen“. So hat er es schon im Landtagswahlkampf gemacht. Jetzt soll es auch im Bund gelten. Es ist nicht ein besonderer Moment in seiner Rede, vielmehr macht der CSU-Chef daraus durch ständige Wiederholung quasi das Leitmotiv. Es ist ihm besonders wichtig.
Die Partei der Wokeness, die Partei der Gängelung, die Partei des Heizungsgesetzes, die Partei des Fleischverzichts. Söder stellt Schweinsbraten, Schäufele, Leberkäs, Weißwürste und natürlich fränkische Rostbratwürste aus seiner Nürnberger Heimat unter den Schutz der bayerischen Verfassung. Das ist natürlich ein Scherz. Doch der CSU-Chef steigert sich so sehr in seine Abneigung, dass er schließlich auch noch Umweltministerin Steffi Lemke als Margot Honecker der Grünen bezeichnet. Auch noch witzig? Am Ende hat mancher Zuhörer mehr Södersche Verachtung für die Grünen in den Ohren als Bier im Bauch.
Was bezweckt er damit? Ganz einfach: Die Ansage gilt nicht nur den Grünen, sie zielt auch auf Friedrich Merz. Der CDU-Vorsitzende taucht genau einmal in Söders einstündiger Rede auf. Da dankt er ihm für die gute Zusammenarbeit und verspricht seinen Zuhörern: „Der Fritz und ich, wir werden das schon wuppen in Deutschland“. Der Fritz UND ich. Söder glaubt wohl nicht mehr an eine Kanzlerkandidatur. Aber sehr wohl glaubt er daran, dass er Merz Bedingungen für seine Unterstützung stellen kann. Sein Grünen-Bashing ist auch eine Botschaft an den CDU-Chef, der jüngst eine Koalition mit den Grünen ausdrücklich nicht ausgeschlossen hatte: Du entscheidest hier nichts alleine.
Die größte Verwechslung
Ein Traditionssaal in Vilshofen: Die SPD lädt zum Aschermittwoch, knapp 200 Genossen sind gekommen, also so ziemlich alle, die die Partei im Freistaat noch hat. SPD-Chef Lars Klingbeil redet und schon nach wenigen Minuten fragt man sich, ob in seinem Terminkalender womöglich etwas schwer durcheinandergeraten ist. Von zünftiger Aschermittwochstradition ist bei seinem Auftritt eher wenig zu sehen.
Kann er auch Stammtisch? SPD-Chef Lars Klingbeil beim Politischen Aschermittwoch der Genossen in Vilshofen
© Daniel Karmann / dpa
Klingbeil spricht, als sei er zu Gast auf der Jahresversammlung der Grundsatzkommission. Beinahe eine Stunde tourt er durch die sozialdemokratische Programmatik, streift selbst Themen, die ihm eigentlich unangenehm sein müssten, weil sie trotz eines eigenen Kanzlers seit Jahren verkümmern: bezahlbarer Wohnraum, bessere Bildung, höhere Investitionen, eine Reform der Schuldenbremse, den Kampf gegen den Fachkräftemangel.
Was besser ankommt: Sein Aufruf, den Rechtsextremismus zu bekämpfen, die AfD zu stellen, alles dafür zu tun, um zu verhindern, dass völkische Vorhaben und Umsiedlungsfantasien hierzulande nicht irgendwann Realität werden. Wenn alle Fußballspieler mit migrantischem Hintergrund an einem Samstag um 15:30 Uhr mal nicht auflaufen würden, „dann wäre es ziemlich leer in der Bundesliga“, ruft Klingbeil. Jubel im Saal. Der Satz sitzt.
Die durchwachsenste Faschingsrede
Ein Saxofonist, eine Tubistin und zwei Trommler – musikalisch geht es bei der FDP deutlich leiser zu als bei den Blaskapellenfreunden der CSU. Damit trotzdem Stimmung aufkommt, haben die bayerischen Liberalen eine rheinische Frohnatur in die Stadthalle Dingolfing eingeladen. Marie-Agnes Strack-Zimmermann nordet die kleine Musik-Combo gleich ein. Sie hätte bei ihrer Rede gerne ab und an einen Tusch auf Kommando, denn das sei bei ihr zu Hause auch immer so: „Wenn ich einen Witz mache, gibt es einen Tusch, dann weiß mein Mann, wann er lachen muss.“
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Strack-Zimmermann hält eine Rede, wie man sie aus dem Karneval – pardon, liebe Bayern – aus dem Fasching kennt. Eine lose Sammlung von Witzchen, die mal mehr, mal weniger einer erkennbaren Struktur folgen. Das mit dem Tusch klappt in etwa so wie die Pointen zünden: durchwachsen bis akzeptabel.
Die FDP-Politikerin, die bei der Europawahl als Spitzenkandidatin antritt, passt sich zumindest einer Grundregel bayerischer Redekultur an: erst der Nachname, dann der Vorname. Und so lästert die Strack-Zimmermann Marie-Agnes über all jene, mit denen sie wenig bis gar nichts verbindet: den Mützenich Rolf, den Merz Friedrich, den Aiwanger Hubert und den Trump Donald.
Besonders aber widmet sie sich, am politischen Aschermittwoch wenig überraschend, dem Söder Markus. Der sei ja kürzlich als Bismarck kostümiert gewesen. „Bismarck-Hering wäre besser gewesen: richtig glitschig und nie zu packen.“ Das ist eine der besseren Pointen. Weniger gut kommt eine Passage über das Verhältnis von Angela Merkel zu Wladimir an. „Ich glaube, die haben sich Wladie und Angie genannt, kein Witz.“ Nein, wirklich kein Witz. Der Spruch zündet nicht. Es gibt nicht einmal einen Tusch.
Das schlichteste Weltbild
Zur Begrüßung für die ostdeutsche Pazifistin Sahra Wagenknecht spielt die Blaskapelle den österreichischen Militärmarsch „Wien bleibt Wien“. Besser lässt sich der Zusammenprall der Kulturen beim Politischen Aschermittwoch in Passau nicht auf den Punkt bringen. Immerhin: Die Musiker der Blaskapelle tragen rote Westen.
Ungewöhnlich nervös wirkt die Ex-Linken-Politikerin zu Beginn ihres ersten Aschermittwochs-Aufritt als Parteichefin des neuen Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW). Doch schon bald entspannt sie sich: Ihre Mischung aus Populismus und aktuellen Reizthemen kommt im überfüllten Gasthaus Öller hervorragend an, alles rund um die Genderpolitik etwa. Der Übernachtungsort von Wagenknecht, das Hotel „Wilder Mann“, dient als Aufhänger für all das, was man ihren Worten zufolge in Deutschland nicht mehr sagen dürfe.
Da passt es, gleich zum nächsten Lieblingsthema überzuleiten: der angeblichen Kriegspolitik der Ampel. Die würde ja auch von „wilden Männern“ betrieben, aber auch von einer „wilden Frau“: von „Strack-Rheinmetall“, wie Wagenknecht FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann nennt. Auftritte beim Aschermittwoch sind häufig schlicht in ihrem Weltbild. Das von Wagenknecht erscheint aber noch schwarz-weißer als andere.
Am Krieg in der Ukraine ist nicht etwa Russland schuld, auch wenn sich Wagenknecht den Zusatz „verbrecherisch“ abringt. Sondern die USA, die Friedensverhandlungen blockierten. Wagenknecht macht sich über die Sorge lustig, Russland könne weitere Staaten oder sogar Deutschland angreifen: „Das scheint ja eine Urangst zu sein: Dann steht der Russe vor der Tür.“ Was natürlich Unsinn sei: Die russische Armee sei ja nicht mal in der Lage gewesen, Kiew zu erobern.
So spricht die Russland- und Militärexpertin Wagenknecht, die nur wenige Tage vor Beginn des Überfalls auf die Ukraine noch behauptet hatte, Russland plane keinen Angriff. Damals war sie noch Mitglied der Linken. Eine Partei, die ihr Treffen heute offenbar besonders subversiv zelebrieren wollte: Aschen am Aschermittwoch, der politische Geschäftsführer kiffte am Rednerpult.