Machtmissbrauch in der Filmbranche: Spucken, würgen, demütigen

Regisseure, die ihre Macht missbraucht und Stars misshandelt haben sollen, sind in der Filmgeschichte nichts Ungewöhnliches. Eine Liste des Versagens von Weinstein bis Hitchcock.

Die Übergriffe des Produzenten Harvey Weinstein beschäftigen längst die Gerichte. Seit dem Beginn der MeToo-Bewegung wagen sich immer mehr Schauspielerinnen aus der Deckung und berichten über unangenehme Erfahrungen mit, klar, männlichen Regisseuren. Die indische Schauspielerin Priyanka Chopra sprach beispielsweise in einem Interview von einem besonders „entmenschlichenden Moment“ ihrer Karriere. Sie sei aus einem Filmprojekt ausgestiegen, nachdem ein namentlich nicht benannter Regisseur zu ihr sagte: „Ich muss Ihre Unterwäsche sehen. Warum sollte sich sonst jemand diesen Film ansehen?“

Sharon Stone sollte Sex mit dem Co-Star haben, um die „Chemie“ zu verbessern

Sharon Stone sollte dagegen bewusst ihren weißen Slip ausziehen für die berühmte Szene im Erotik-Thriller „Basic Instinct“ von 1992, in der sie während eines Verhörs ihre Beine öffnet und intime Einblicke gewährt. Angeblich, weil die Farbe das Licht zu stark reflektierte. Als ihr dann der fertige Film das erste Mal vorgeführt wurde – in einem Raum voller Schauspielagenten und Anwälte – flog das falsche Spiel auf. Sie verpasste dem Regisseur Paul Verhoeven eine Ohrfeige, gab die Fassung aber durch Druck von außen frei. In ihren Memoiren von 2021 beschreibt Stone darüber hinaus, wie sie jahrelang mit sexuellem Fehlverhalten konfrontiert war. Ein Regisseur wollte, dass sie auf seinem Schoß sitzt; ein Produzent forderte sie auf, Sex mit ihrem Co-Star zu haben, um die „Chemie“ zu verbessern.  

Weiter auf der traurigen Liste: Die US-Schauspielerin Uma Thurman wurde beim Dreh von „Kill Bill“ von Regisseur Quentin Tarantino in ein Stunt-Auto gesetzt, obwohl sie offensichtlich komplett überfordert war. Sie verlor die Kontrolle, krachte in einen Baum und erlitt ernste Verletzungen an Kopf, Nacken und Knie. Daneben habe Tarantino ihr ins Gesicht gespuckt und sie mit einer Kette gewürgt, erzählte Thurman im vergangenen Jahr. Die Dreharbeiten sind mehr als 20 Jahre her, erst im November 2023 machte Thurman sie öffentlich. Ähnliches hatte Diane Krüger schon vom Set von „Inglorious Basterds“ berichtet, ebenfalls ein Film von Tarantino. 

Uma Thurman äußerte ihre Vorwürfe gegenüber Quentin Tarantino erst vergangenes Jahr, 20 Jahre nach den Dreharbeiten
© Toni Anne Barson

Regisseure, die ihre Macht missbrauchen, ihre Heldinnen misshandeln und demütigen, sind kein neues Phänomen. Sogar über Filme, die als Klassiker gelten, kursieren Geschichten, die heute nicht mehr denkbar wären. 

So soll sich Regie-Gott Stanley Kubrick unter anderem für den Horror-Thriller „Shining“ von 1980 an seiner Schauspielerin Shelley Duvall vergriffen haben, nicht nur im Ton. Es heißt, er habe absichtlich eine feindselige Umgebung um sie herum erzeugt und sie vom Rest der Besetzung und der Crew entfremdet. Die berühmte Szene, in der sie sich mit einem Baseballschläger gegen die Figur von Jack Nicholson verteidigt, ließ er Duvall 127 Mal drehen – bis zur Erschöpfung. 

Während der Dreharbeiten zu Alfred Hitchcocks „Die Vögel“ hätte Hitchcock angefangen, mit lebenden Vögeln nach Tippi Hedren zu werfen, berichtet sie.

Hitchcock warf mit lebenden Vögeln nach ihr

Tippi Hedren berichtete von den dunklen Seiten eines anderen Meisters: Alfred Hitchcock hätte einen Narren an ihr gefressen, sie schikaniert und versucht, jeden Aspekt ihres Lebens auch außerhalb des Sets zu kontrollieren. Sollte sie nicht mit ihm schlafen, würde er ihre Karriere beenden, hätte er gedroht. Die Kratzer in ihrem Gesicht in „Die Vögel“ (1963) seien echt gewesen, ergänzte Hedren. Während der Dreharbeiten hätte Hitchcock angefangen, mit lebenden Vögeln nach ihr zu werfen. Natürlich alles nur im Dienst der richtigen Stimmung und künstlerischen Inspiration.

Interview Allison Kuhn

Die isländische Sängerin und Schauspielerin Björk berichtete, dass ein Filmemacher, dessen Namen sie nicht nennt, sie am Set sexuell belästigt und ihr sexuelle Angebote mit expliziten Beschreibungen zugeflüstert habe. Die Anspielungen auf Lars von Trier und die Entstehung von „Dancer in the Dark“ aus dem Jahr 2000 waren allerdings eindeutig. 

Auch Männer und Jungs bleiben von den Ausfällen und Nachlässigkeiten ihrer Regisseure nicht verschont. Gegen Bryan Singer, Regisseur von Filmen wie „Die üblichen Verdächtigen“ und „X-Men“, werden schon seit geraumer Zeit Anschuldigungen laut wegen sexueller Übergriffe und krimineller Handlungen an seinen minderjährigen Schauspielern. Über die Vorwürfe gibt es sogar eine ganze Dokumentation von 2014 namens „An Open Secret“ – halb Hollywood wusste angeblich Bescheid. Singer wurde unter anderem deswegen aus der Produktion des Freddy-Mercury-Biopics „Bohemian Rhapsody“ entfernt, sprich entlassen. 

Kinderdarsteller mit Gewalt und Nacktheit konfrontiert

Gegen den österreichischen Regisseur Ulrich Seidl gab es vor Kurzem massive Vorwürfe, dass er seine Kinder- und Jugenddarsteller nicht genug vorbereitet und betreut hätte für die Aufnahmen seines Pädophilie-Dramas „Sparta“. Er hatte in Rumänien mit Laiendarstellern gedreht, zwischen neun und 16 Jahre alt, und sie mit Alkohol, Nacktheit und Gewalt konfrontiert. Seidl widersprach, fühlte sich und seine Arbeit diffamiert und verteidigte sich: „Nie haben wir beim Dreh die Grenzen des ethisch und moralisch Gebotenen überschritten“. 

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