Adelenomics: Erst Taylor Swift, jetzt Adele: Welchen Einfluss Musikstars auf die Wirtschaft haben

Astronomische Hotelpreise, ausgebuchte Restaurants: Die Konzertreihe der Sängerin Adele bewegt München auch wirtschaftlich. Doch wie nachhaltig ist der Effekt – und betrifft er ganz Deutschland?

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Wer für den 2. August ein Hotelzimmer in München sucht, wird derzeit staunen. Nicht, dass sich München jemals als kostengünstige Metropole qualifiziert hätte – aber dass einfachste Standardzimmer auf dem Buchungsportal Booking.com erst bei 158 Euro starten, ist selbst für die bayerische Landeshauptstadt ungewöhnlich. Wer etwas mehr Komfort und Innenstadt-Nähe sucht, den kostet die Übernachtung schnell 300 Euro und mehr. Am 3. August sieht das nicht anders aus, genauso wenig wie an acht weiteren Terminen im August. Der Grund dahinter ist simpel: die Sängerin Adele ist in der Stadt und spielt dort zehn Konzerte.

Es ist nicht ungewöhnlich, dass einzelne Popstars aber auch Sportveranstaltungen und Fachmessen die Hotelpreise steigen lassen. Der Preis gleicht schließlich Angebot und Nachfrage aus. Die Nachfrage nach Hotelzimmern ist variabel, die Zahl der Hotelzimmer aber nicht. Das Schmiermittel sind die Preise. Steigen diese, sinkt die Nachfrage nach besseren Hotels. Preissensiblere Menschen zieht es in die Außenbezirke oder sie bleiben gleich zu Hause. So funktioniert Wirtschaft, im Großen wie im Kleinen.

Beyoncé treibt Inflation in Schweden

In den vergangenen Monaten ist aber das Maß, wie stark einzelne Künstlerinnen und Künstler Einfluss auf die Wirtschaft nehmen, enorm gestiegen. Nicht nur lokal, sondern teilweise sogar volkswirtschaftlich. Die Sängerin Beyoncé soll im vergangenen Mai für knapp 0,3 Prozentpunkte der schwedischen Inflationsrate verantwortlich gewesen sein. Für Megastar Taylor Swift haben Ökonomen schon den Begriff „Swiftonomics“ begründet, da ihre Tourneen ganze Volkswirtschaften bewegen. Bei Adele könnte in München nun das Gleiche eintreten – also die „Adelenomics“. 

PAID Shirin David Tourauftakt

Die Auswirkungen sind umso spürbarer, je exklusiver die Events sind. Beyoncé startete ihre „Renaissance“-Tour mit zwei Konzerten in der schwedischen Hauptstadt Stockholm. Bei jedem dieser Events sollen bis zu 46.000 Fans gekommen sein, tausende aus Übersee, darunter auch hunderte ohne Tickets. Dadurch sind die Preise für touristische Dienstleistungen merklich gestiegen. Allerdings haben die Beyoncé-Fans nicht nur Preise für Hotels und beliebte Freizeitangebote in die Höhe getrieben, sondern auch die der lokalen Restaurants und sogar für Kleidung. Michael Grahn, Chefökonom für Schweden bei der Danske Bank, berechnete einen Beyoncé-Effekt von fast 0,3 Prozent bei der Inflation für Mai 2023. 

Bei Taylor Swift, die in diesem Sommer nach Deutschland kommen wird, zeigen sich ähnliche Entwicklungen: Hohe Hotelpreise, astronomische Ticketpreise auf dem Zweitmarkt und erste ausgebuchte Restaurants – ein halbes Jahr im Voraus. In den USA geben „Swifties“, so nennen sich viele Fans der Sängerin selbst, im Durchschnitt 1300 Dollar im Zuge ihres Konzertbesuchs aus. Für Tickets, Hotels, Restaurants, Merchandise und vieles mehr. Dadurch soll allein ihre US-Tour im vergangenen Jahr Konsumausgaben von geschätzt 4,6 Mrd. Dollar ausgelöst haben – mehr als die Wirtschaftsleistung von 35 der 50 US-Staaten.

Keine „Adeleflation“

Und doch werden die Effekte bei Adele anders sein als etwa bei Beyoncé in Schweden. „Die Inflation zum Beispiel wird nicht steigen, weil Taylor Swift oder irgendjemand anderes ins Land kommt“, sagt Felix Herrmann, Chefvolkswirt des Vermögensverwalters Aramea gegenüber Capital. Die Situation von Schweden und Deutschland lassen sich nicht vergleichen. „Schweden ist viel kleiner als Deutschland. Etwaige Events wie der Tourstart von Beyoncé wären in unseren Zahlen nicht messbar.“

Ganz grundsätzlich seien die volkswirtschaftlichen Effekte von Popstars überschätzt, sagt Hermann. Das zeigen auch die Konzerte von Taylor Swift in den USA. Denn am BIP oder der Inflationsrate änderte sich durch die Konzerte dort nichts. Das liegt vor allem daran, dass es sich bei den Ausgaben für Tickets & Co. um sogenannte „displacement spendings“ handelt. Eine zeitliche und regionale Häufung von Konsumausgaben. Menschen ziehen also ihren Konsum zeitlich vor, wenn sie mehrere hundert Euro für Tickets, Hotel und Restaurants zahlen. Dafür geben sie den Rest des Jahres über weniger aus. Ein Effekt auf die Inflationsrate wäre daher allenfalls vorrübergehend zu beobachten und würde nur einen Basiseffekt erzeugen.

FS Adele 20.33

Praktisch ausgedrückt heißt das: Würde man nur für München eine regionale Inflationsrate ermitteln, und Adele diese im August beispielsweise um 0,2 Prozentpunkte nach oben bewegen, würde sie im August 2025 um genau diese 0,2 Prozentpunkte heruntergehen. Vorausgesetzt, Adele spielt im nächsten Jahr nicht die gleiche Konzertreihe mit dem gleichen Andrang.

Nur bei wiederkehrenden Events schlägt sich ein Effekt nieder

Genau hier liegt auch der entscheidende Punkt, ob ein Popstar, ein Sportevent oder eine Messe einen nachhaltigen Effekt auf die Wirtschaft hat. Sie müssen wiederkehrend sein. Einmalige Events bringen einer Region wenig. Das eingenommene Geld geben die Münchener dafür an anderer Stelle wieder aus. Das gilt auch für ausländische Besucher, deren Konsumausgaben immerhin die deutsche Außenhandelsbilanz beeinflussen. Dafür fallen die Konsumausgaben dann in ihrer Heimat aus. Letztlich ist es global betrachtet das gleiche Nullsummenspiel. 

„Diese zeitliche und regionale Umverlagerung von ökonomischen Effekten ist nichts, wo man als Ökonom drauf schaut, und sagt: Oha, hier spielt sich etwas ganz Besonderes ab“, sagt Herrmann. „Das ist allenfalls ein nettes Partythema.“ 

Wenig Auswirkungen auf Standort München

Anders verhält es sich, wenn die Einnahmen in München investiert werden. Schafft es ein Standort wie München beispielsweise, dauerhaft bekannte Künstler anzuziehen, oder der Fußballverein 1860 München steigt in die 2. Bundesliga auf und muss sein geliebtes Stadion an der Grünwalder Straße ausbauen, dann sind Investitionen notwendig. Neue Hotels siedeln sich an, Straßen und Bahnhöfe werden gebaut, Arbeitsplätze geschaffen. All das führt zu mehr Produktivität in einer Region und letztlich zu einem steigenden Wachstumspfad. „Langfristig steigert man das Wachstum also nicht durch Konsum, sondern durch Investitionen“, sagt Ökonom Hermann.

Ob überhaupt echte Investitionen rund um die Adele-Konzerte stattfinden, lässt sich derzeit noch nicht absehen. Entsprechende Anfragen von Capital ließen die Stadt und die Wirtschaftsförderung München unbeantwortet. Zwar wird für Adele das Messegelände in München umgebaut und ein Open-Air-Bereich geschaffen. Doch der Bereich wird am Ende weitgehend zurückgebaut. Und durch das Oktoberfest – was im Übrigen immense Investitionen ausgelöst hat – besitzt die Region die meisten Materialien für den Auf- und Abbau der Location schon.

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