Es rumort beim Gault&Millau. Die Muttermarke will den deutschen Lizenznehmer Henris Edition loswerden und erhebt schwere Vorwürfe. Seit Monaten soll der ohne gültige Lizenzen agieren.
Steht die deutsche Ausgabe des Gault&Millau vor dem Aus? Seit Ende vergangener Woche ist die Aufregung groß. Die Vorwürfe, die von Seiten der Muttermarke gegen den Lizenznehmer, den Münchner Verlag Henris Edition, derzeit erhoben werden, haben es in sich. Demnach nutze der Verlag den Namen Gault&Millau seit Monaten unrechtmäßig, der Lizenzvertrag sei längst gekündigt. Bei Henris Edition hingegen gibt man sich indes überrascht und kampfbereit, „juristische Schritte“ würden geprüft. Was steckt hinter dem Zerwürfnis?
Die Nachrichten kommen überraschend. Erst Anfang Februar hatte der Gault&Millau Deutschland bekannt gegeben, sich komplett neu aufstellen zu wollen. Im vergangenen Sommer hatte Christoph Wirtz nach drei Jahren als Chefredakteur des Restaurantguides seinen Posten geräumt. Seine letzte Ausgabe war eine für die Geschichtsbücher gewesen. Erstmals in den nun mehr vier Jahrzehnten, in denen der Guide erscheint, hatten Frauen die Spitze dominiert. So war unter anderem erstmals eine „Köchin des Jahres“ ausgezeichnet worden. Wirtz hinterließ eine Lücke, die monatelang nicht gefüllt wurde. STERN PAID 43_23 IV Köchin des Jahres 11.56
Gault&Millau Deutschland – ein Versuch von Revolution
Für die kommende Testsaison hatte der Guide umfassende Modernisierungen angekündigt. Ein Expertenrat sollte sich künftig für die Restaurantbewertungen verantwortlich zeichnen und die Ergebnisse sollten nicht mehr jährlich, sondern zeitnah nach den anonymen Besuchen veröffentlicht werden. Ein Novum, für das man die Gault&Millau by Henris App überarbeitet hatte. Zudem sollte auch normalen Restaurantgästen über die App die Möglichkeit gegeben werden, Feedback zu geben. Dahinter steht eine Abkehr von einem ausschließlichen Expertentum hin zu einer demokratischeren Wertung. Klaffen die Meinungen von Amateuren und Profis zu weit auseinander, dann, so die Idee, sollte das Restaurant im Zweifelsfall noch einmal getestet werden.
In Frankreich scheint das alles auf wenig Gegenliebe gestoßen zu sein. In einer sogenannten Klarstellung zur vermeintlichen Kündigung des Lizenzvertrags, sie soll bereits seit dem 16. November gültig sein, distanziert sich die Muttermarke. Gault&Millau weise „ausdrücklich jede Verbindung mit dem Bewertungssystemen und -methoden zurück“, die derzeit vom „ehemaligen Partner“ angewandt würden und die von der Marke „weder genehmigt noch bestätigt“ worden seien. Sie spiegelten in keiner Weise die Standards, die Ethik und die Werte wider, für die die Marke seit der Gründung stehe. In dem Schrieb ist gar davon die Rede, dass solche Praktiken geeignet seien, „sowohl Branchenprofis als auch die breite Öffentlichkeit zu täuschen“. Die Beendigung der Zusammenarbeit wird unter anderem mit der Verletzung vertraglicher Verpflichtungen und ausbleibender Zahlungen begründet.Guide Michelin 2023 – FS
Tauziehen um Gault&Millau-Lizenzrechte
Der Gault&Millau und Deutschland, das ist eine Geschichte mit vielen Wendungen. Mehr als 30 Jahre lang, ab 1983, verlegte der Christian Verlag die deutsche Ausgabe des Restaurantführers, 2017 übernahm die ZS Verlags GmbH. Doch schon 2020 wurde das Zepter weitergereicht an Hubert Burda Media, bis dann zwei Jahre später die Lizenzrechte endlich an den Ex-Burda-Manager Hans Fink und dessen Frau gingen, die den Verlag Henris Edition gegründet hatten. Und nun?
Henris Edition weist alle Anschuldigungen vehement von sich. Der Lizenzvertrag sei weiterhin gültig, die Kosten bis einschließlich 2025 vollständig bezahlt. „Die derzeit im Umlauf befindlichen Nachrichten sind ruf- und geschäftsschädigend und werden mit Nachdruck zurückgewiesen“, ist in einem Statement, das am vergangenen Freitagmittag veröffentlicht wurde, nachzulesen.
Folgt man dieser Ausführung, wäre zumindest der Vorwurf des Zahlungsrückstands vom Tisch, die Kritik an den Arbeitsmethoden allerdings nicht. Tatsächlich kochen die deutschen Lizenznehmer schon länger ihr eigenes Süppchen. So sorgte es unter anderem in der Branche für Aufsehen, als sich der Guide 2022 vom internationalen Standard-Bewertungssystem des Gault&Millau verabschiedete und auf die global bekannten Bewertungspunkte verzichtete. Die Folge: viele Spitzenköche und -köchinnen verloren ihre Punkte. Stattdessen gibt es nun ein vereinfachtes System, vergeben werden nur noch eine bis fünf Hauben, wobei fünf Hauben nur den besten Restaurants der Welt vorbehalten sind. In der Welt des Gault&Millau ist das ein Alleinstellungsmerkmal. Eines, das der Muttermarke allem Anschein nach bitter aufstößt.Grüner Michelin-Stern: Wer braucht das? 06.20
Aussage gegen Aussage
Ein erstes Anzeichen dafür, dass es rumort, hätte schon länger auch der Blick auf die Homepage des deutschen Gault&Millau verraten können. Die offizielle deutsche Website, die an die Muttermarke geknüpft ist, ist seit Wochen nicht erreichbar. Stattdessen nutzt der deutsche Gault&Millau inzwischen eine Kopie der Seite als offizielle Homepage. Wie der „Falstaff“ aus internen Kreisen erfahren haben will, habe man diese aufgrund technischer Probleme mit der Ursprungsseite aufgestellt. Mit Blick auf die neuesten Entwicklungen kann diese Aussage im Nachgang zumindest mit einem Fragezeichen gelesen werden.
Derzeit steht in der Auseinandersetzung Aussage gegen Aussage. Es ist nicht ausgeschlossen, dass am Ende die Gerichte entscheiden müssen, wer Recht behält. Der Verlag Henris Edition jedenfalls hat bereits angekündigt, juristische Schritte prüfen zu wollen.
Quellen: Hogapage, PM Henris Edition, FAZ, Gault&Millau, gaultmillau-media.com, rollingpin, Falstaff, PM Gault&Millau Paris