Alpenpark in Neuss: eine Kunst-Schnee-Anlage, 356 Tage lang geöffnet. Wie viel Spaß macht der Wintersport im Rheinland? Und wie klimaverträglich ist der riesige Kühlschrank? Unsere Reporterin hat sich umgehört.
Die trockene Kälte legt sich wie ein Tuch über mein Gesicht. Mit nur einem Schritt durch eine Schleuse bin ich im Skigebiet angekommen, ohne wirklich in der Nähe von steilen Pisten, den Alpen oder einem echten Himmel zu sein. Ich fühle mich wie in einem Raumschiff, die Flutlichter beleuchten die riesige Halle und die Reflexion im Schnee verstärkt das grelle Licht. Um mich herum Trubel aus Freunden und Familien. Es ist laut, die Schneemaschine brummt. Eingepackt in Winterjacke, Skihose, Handschuhen und einem schützenden Helm auf dem Kopf, bin ich bereit für die Abfahrt.
Das letzte Mal stand ich mit 14 Jahren auf Skiern. Damals waren wir mit der Klasse auf Skifreizeit in Südtirol. Auch als Anfängerin hatte ich viel Spaß. Ich erinnere mich noch an die atemberaubende Natur. Einmal waren wir so hoch oben, dass wir über der Wolkendecke standen. Zwischen mir und der Sonne war nur der blaue Himmel. Hier in der Skihalle schaue ich auf eine graue Metalldecke, die an eine Industriehalle erinnert.
© Michael Englert
Kunstschnee statt Alpenpanorama
Im Sessellift treffe ich Miriam Correns und ihren Vater Erich Correns. Miriam fährt mit ihrem Freund zum Skifahren nach Sölden. Ihr Vater gibt ihr einen kleinen Crashkurs und zeigt ihr, wie es geht. Erich Correns steht seit seinem vierten Lebensjahr auf Skiern. Als jüngster von vier Brüdern musste er immer mithalten. Auf der 300 Meter langen Piste zeigt er sein Können. Schnell, kontrolliert und mit viel Haltung fährt er die Piste hinunter. Für die Vorbereitung auf den Skiurlaub sei die Skihalle schon gut, sagt der 56-Jährige, aber als Ersatz für den richtigen Skiurlaub sei sie nicht zu gebrauchen. „Für mich als erfahrenen Skifahrer ist das zu langweilig“, sagt er. Die Strecke sei zu kurz, man komme nicht richtig in Fahrt. Außerdem sitze man länger im Sessellift als man fahre.
Die Piste ist 300 Meter lang und hat auf dem ersten Stück ein Gefälle von 28 Prozent. Aufgeregt gleite ich die ersten Meter hinunter. Ich erinnere mich noch an „Pizza“ und „Pommes“: Wenn man die Skispitzen wie eine Pizza zu einem Dreieck zusammenlegt, bremst man. Mit Pommes, also wenn die Skier parallel sind, fährt man weiter. Das klappt schon einmal gut. Dann gewinne ich an Selbstvertrauen und traue mich, schneller zu werden, lege die Skier parallel zueinander und fahre in einem großen Slalom die Piste hinunter. Schneller als gedacht komme ich wieder unten an. Die Abfahrt dauert maximal eine Minute.
© Michael Englert
Als fortgeschritten würde ich mich nicht bezeichnen. Ganz im Gegensatz zu Quirin Huber. Er ist hauptberuflich Skilehrer im Alpenpark Neuss. Der gebürtige Bayer aus Berchtesgaden fährt seit seiner Kindheit Ski. Früher nahm er an nationalen und internationalen Wettkämpfen teil und war Deutscher Vizemeister. Gerade für Anfänger sei das Lernen in der Skihalle ideal, sagt er. Die Schneequalität sei gut, die Wetterverhältnisse wechselten nicht und auch am Berg könne man sich für den Anfang eine flache Piste aussuchen. „Hier kann man die Angst ablegen und dann sind die allerersten Skierfahrungen in den Bergen noch schöner“, sagt der 31-Jährige.
Skifahren in Neuss – muss das wirklich sein?
Skifahren in der Natur sei vom Gefühl dennoch anders. Er stehe auf steile Pistenabfahrten. In der Natur habe man den Himmel über dem Kopf und sei an der frischen Luft, sagt Huber. Welches davon klimafreundlicher ist, kann er nicht beantworten. Aber wenn man bei mildem Winter ständig die Berge mit Kunstschnee beschneien müsse, dann würde er die Skihalle vorziehen. Der Alpenpark in Neuss sei ja klimaneutral. Ich möchte wissen: Stimmt das?
Der Betrieb wurde 2001 eröffnet, seitdem habe sich viel verändert, sagt Marin Östreich. Skihallen müssten ihre Strategie ändern, sagt er. Östreich ist Bereichsleiter der Gastronomie und Mitglied der Geschäftsleitung des Alpenparks. Mit dem fortschreitenden Klimawandel sei es nicht mehr tragbar, den Alpenpark ohne ein Klimakonzept zu betreiben. „Viele stellen sich die Frage: Muss Skifahren in Neuss wirklich sein?“, so Östreich. Nach zwei Jahren Planungsphase ging 2022 das Sieben-Millionen-Euro Projekt für eine Photovoltaikanlage an den Start. Dabei wurde der Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur durch öffentliche Förderungen des Landes NRW bezuschusst. Auf 30.000 Quadratmetern Fläche entstand eine Photovoltaikanlage, die nun seit August 2023 den Alpenpark komplett mit Strom beliefert. „Wir produzieren deutlich mehr Strom, als wir verbrauchen“, sagt Östreich. Die Anlage kann bis 4.000.000 kWh im Jahr produzieren. Wie viel genau der Alpenpark produziert, werde sich spätestens nach einem Jahr Betriebsphase zeigen. Ganz klimaneutral sei der Alpenpark jedoch ohnehin noch nicht. Die Wärmerückgewinnung über Blockheizkraftwerke sei noch nicht abgeschlossen.
Dirk Jansen, BUND-Klimaexperte, geht mit den Skihallen hart ins Gericht. Für ihn hat der Skisport in Mittelgebirgen und in Großteilen der Alpen keine Zukunft und damit auch die Skihallen im Rheinland nicht. „Der Klimawandel ist so brutal, dass der Skisport irgendwann aussterben wird. Skihallen können das Erlebnis wohl kaum ersetzen“, sagt Jansen. Für problematisch hält er vor allem die individuelle Anreise der Besucher mit dem Auto und die negativen Folgen für die Umwelt. Den gesamtgesellschaftlichen Nutzen einer Skihalle hält er daher ohne Klimakonzept für fraglich.
© Michael Englert
Skifahren allein reicht nicht mehr
Der Alpenpark Neuss hat in den letzten Jahren auch Auswirkungen der Coronakrise und des Ukrainekriegs wirtschaftlich zu spüren bekommen. „Das Interesse von jungen Menschen an Skihallen ist gesunken“, sagt Östreich. Das liegt vermutlich auch an den gestiegenen Preisen – Skifahren ist kein günstiger Spaß. Auch in der Halle ist man schnell mit Verleihgebühren für die Ausrüstung bei knapp 80 Euro pro Person für den Tag. Seit Jahresbeginn wurden die Preise in der Gastronomie noch einmal angehoben, denn die Mehrwertsteuer kommt wieder hinzu. Und so kostet das Abendbuffet beispielsweise 33,50 Euro, statt bisher 29,99 Euro.
Nur eine Skihalle zu sein, reiche nicht mehr, das locke keine Gäste mehr an, erklärt Östreich. Deshalb habe der Alpenpark sein Angebot unter anderem um eine Golf-Anlage, ein Vier-Sterne-Superior-Hotel, Baumchalets zum Übernachten und um einem Outdoor-Kletterpark erweitert. „Wir haben uns über die Jahre zu einem Freizeitpark entwickelt“, sagt er. Mit 13 Tagungsräumen zieht der Alpenpark vor allem Geschäftskunden und Skiclubs aus dem Ausland in den Sommermonaten an.
Inzwischen hat sich das Restaurant gefüllt, viele stehen an den Fenstern zur Skihalle und schauen dem Kunstschneevergnügen zu. Tatsächlich sind nicht viele der Gäste zum Skifahren hier sondern vor allem für den gastronomischen Alpenflair. Viele Unternehmen feierten hier ihre Team-Events, erzählt Kristina Meierhoff aus dem Marketingteam der Skihalle. Nun stehen die Karnevalssausen an. Mit Motto-Events, wie Karaoke oder Single Party, sollen hier Individualgäste angelockt werden. Après-Ski gepaart mit Kölner Karneval.
Ich gehe nochmal zurück in die Halle, fahre ich noch ein paar Abfahrten, dann ist bei mir die Luft raus. Ich sehne mich nach Sonnenlicht und mache mich auf den Weg zu den Kabinen. Zurück in der Kabine schlüpfe ich aus den Skischuhen in meine Winterboots. Als ich am Empfang vorbei durch den Ausgang trete, schlägt mir draußen der milde Winter entgegen. Stimmt ja, denke ich mir, eigentlich liegt ja gar kein Schnee.