Brauchtum: Schiffbrüchiger Scholz und Robert beim Rosenmontagszug

Helau-Rufe, Musik, Luftschlangen und Fröhlichkeit: Der Rosenmontagszug rollt sieben Kilometer durch Mainz. Der Lindwurm selbst ist noch zwei Kilometer länger.

Hunderttausende bunt kostümierte Menschen haben bei eher tristem, aber mildem Wetter dem Rosenmontagszug in Mainz zugejubelt. Pünktlich um 11.11 Uhr machte sich der närrische Lindwurm auf den gut sieben Kilometer langen Weg durch die Innenstadt. Dabei feierte die Fastnachtshochburg am Rhein auch ein Jubiläum der Straßenfastnacht: den 120. Rosenmontagszug in der Regie des Mainzer Carneval-Vereins (MCV). Ein Überblick:

Der neun Kilometer lange Zug:

Mehr als 9000 Narren machten bei dem Zug mit seinen 138 Nummern mit. Neben den Fußgruppen waren auch mehr als 150 Wagen, Fahr- und historische Einräder unterwegs. Fast 60 Pferde waren ebenfalls dabei, darunter eine Kutsche mit acht Pferden der Mainzer Ranzengarde von 1837. Rund 45 Musikgruppen mit mehr als 2000 Musikern marschierten mit durch die Stadt. Etwa 90 Teilnehmer trugen Fahnen oder die traditionellen Schwellköpp.

Der Zug war so lang, dass sich die letzten Wagen erst gut drei Stunden nach Beginn in Bewegung setzen konnten. Das Motto der diesjährigen Kampagne lautete: „Zur Fassenacht lädt Mainz am Rhein die ganze Welt zum Schoppe ein“.

Die Motivwagen:

Neun Wagen mit politischen Karikaturen rollten auch durch die Straßen – einer weniger als im Vorjahr. Darauf war Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als Kapitän mit Augenklappe zu sehen, der mit dem Deutschlandschiff Schiffbruch erleidet. Der fliegende Robert (Habeck) verliert wegen der Wärmepumpe die Bodenhaftung. Und CDU-Chef Friedrich Merz stemmt sich dagegen, dass ihn die AfD über ein Brandmäuerchen in den braunen Sumpf zieht. Einem erschrockenen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) fliegt sein Experimentierkasten Gesundheitswesen um die Ohren.

AfD-Chefin Alice Weidel und die ehemalige Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht werden als Barbies von Russlands Präsident Wladimir Putin mit blutigen Händen in einem rosa Cabrio chauffiert. E-Mobilität und der Automobilstandort Deutschland werden auch aufgespießt. Chinesen fahren den Deutschen im E-Auto davon und Fred Feuerstein läuft hinterher. Die „betrübliche Weltlage“ mit den Kriegen und der Gewalt im Nahen Osten beschäftigt auch die Narren, heißt es beim MCV. So wird eine in einem Käfig aus Stacheldraht eingesperrte Friedenstaube von Hass, Fanatismus, Intoleranz und Gier am Fliegen gehindert.

Der Wagen von Fußball-Bundesligist Mainz 05:

Die Nachricht platzte mitten in den Rosenmontagszug: Der abstiegsgefährdete FSV Mainz 05 trennt sich nach elf sieglosen Pflichtspielen in der Fußball-Bundesliga von seinem Trainer Jan Siewart. Schon zuvor hatte der Verein auf der Plattform X mitgeteilt: „Als Zugnummer 98 vertreten uns heute unsere Fußballerinnen, Handballerinnen und Teile der Traditionsmannschaft.“ Auf dem Wagen von Mainz 05, der mit dem Vereinswappen geschmückt war, herrschte auch ohne die Bundesliga-Kicker ausgelassene Party-Stimmung. Alle Insassen hatten Fastnachts-Trikots an, tanzten und warfen Kamelle zu den Narren am Straßenrand. Am hinteren Teil des Wagens mit der Nummer 98 saßen zwei große Figuren als jubelnde Fans mit Tröte und Schal.

Die Stimmung:

Helau-Rufe, Musik, Konfetti, Luftschlangen und Süßigkeiten-Regen: Hochstimmung auch auf den anderen Wagen und in den Straßen in Mainz. Alt und Jung verfolgten den Zug vom Straßenrand und dem Schillerplatz aus, aber auch von geschmückten Balkonen und aus geöffneten Fenstern. Die Menschen schunkelten und tanzten zu Fastnachts-Hits wie „Im Schatten des Doms“ und „Humba täterä“. Viele trugen Tier-, Clowns- oder Cowboy- und Cowgirl-Kostüme, es waren aber auch viele originelle Verkleidungen zu sehen, darunter Schlümpfe, Quallen, Blumen, Sagenfiguren, Sträflinge, Mönche und Smileys. Am Morgen hatte es noch geregnet, später kam sogar mal die Sonne raus.

Gerade viele junge Narren feierten mit eigener Musik nicht nur den Umzug, sondern auch sich selber. Polizisten und Rettungskräfte mischten sich beobachtend unter die Feierenden und ließen der ausgelassenen Meute ohne zu viel Strenge ihren Spaß. Die übrigen Straßen und Gassen der Mainzer Innenstadt waren während des stundenlangen Umzugs teilweise fast menschenleer. Nur wenige Menschen in Verkleidung waren in Mainz unterwegs.

Zugmarschall Thorsten Hartel sagte: „Die Stimmung war klasse und es hat mega viel Spaß gemacht.“ Die Stadt sei von Anfang an gefüllt gewesen und es seien viele begeisterte Menschen dabei gewesen. „Die Menschen waren von Anfang an voll da“, sagte auch Polizeisprecher Rinaldo Roberto. Er sprach wie Hartel von mindestens einer halben Million Menschen, aber etwas weniger als vor einem Jahr. Damals waren bei Kaiserwetter noch etwas mehr Menschen zum ersten Zug nach der Pandemiepause gekommen.

Die Landesregierung:

Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) schunkelte und sang in rotem Mantel, mit Fastnachts-Schal und Federn im Haar auf der Ehrentribüne vor dem Staatstheater mit, warf den vorbeiziehenden Gruppen Blumen und permanent fröhliche Helau-Rufe zu. Mit Dreyer auf der Tribune saßen auch Innenminister Michael Ebling, Finanzministerin Doris Ahnen (beide SPD) sowie Vize-Ministerpräsidentin Katharina Binz (Grüne) und der Mainzer Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) und winkten, wippten und strahlten mit.

Einen Lieblingsmotivwagen oder eine Lieblingsgruppe habe sie nicht, berichtete Dreyer. Der Mainzer Rosenmontagszug stehe gerade für seine Vielfalt und die unterschiedlichen Darbietungen. Die Fastnacht sei aber nicht nur ausgelassen und fröhlich, sondern auch sehr politisch, betonte die Regierungschefin. Die Narren hielten den Politikerinnen und Politkern dabei den Spiegel vor. „Jeder kriegt mal einen auf den Deckel.“ Damit könne sie sehr gut leben.

Die Kosten:

Für mehr als neun Motivwagen hatte das Geld nicht gereicht. Die Kosten allein für die Sicherheit seien von 40 000 Euro im Jahr 2015 auf rund 250 000 Euro gestiegen, hatte MCV-Präsident Hannsgeorg Schönig im Vorfeld gesagt. Alle anderen Kosten seien auch gestiegen. Die Stadt übernimmt künftig weitere 200 000 Euro pro Jahr für die Sicherheitskosten – zusammen mit den anderen Ausgaben für den Traditionszug kommt sie nach eigenen Angaben auf rund eine Million Euro.

Die Sicherheit:

Größere Zwischenfälle blieben zunächst aus, die Menschen feierten weitgehend friedlich und fröhlich. Die Polizei war bis zum Nachmittag mit etwa 800 Beamten im Einsatz. Nach insgesamt 580 Kontrollen habe sich die Zahl der alkoholisiert angetroffenen Jugendlichen auf 47 erhöht, hieß es in einer Zwischenbilanz der Polizei am Nachmittag. Vier Kinder seien zwischenzeitlich vermisst gewesen, konnten aber „zeitnah“ wieder mit ihren Eltern zusammengebracht werden.

Der Rettungsdienst war nach Polizeiangaben mit 500 Kräften im Einsatz. Bis zum Nachmittag habe es 32 Einsätze gegeben, „eine sehr geringe Zahl“ und meist wegen Stürzen, sechs Menschen mussten in ein Krankenhaus gebracht werden. Die Stadt Mainz war mit Streetworkern unterwegs, um sich um betrunkene Jugendliche zu kümmern.

Rund 130 Menschen hatte der Sanitätsdienst zunächst an seinen Unfallhilfsstellen versorgt. „Der Zug ist in vollem Gange und die Menschen sind gut alkoholisiert“, sagte am Nachmittag ein Sprecher von Feuerwehr und Katastrophenschutz. Entsprechend gestiegen sei im Verlauf des Tages der Anteil der Verletzungen, die mit Alkohol zusammenhängen. Etwa 20 bis 30 Menschen seien ins Krankenhaus gebracht worden.

Nach dem Ende des Zugs gegen 17.00 Uhr beginne für die Polizei die zweite Einsatzphase, sagte Polizeisprecher Rinaldo Roberto. Dann seien die Familien nach Hause gegangen und Jugendliche kämen zum Feiern. Dafür würden dann bis zum frühen Morgen 200 Beamte eingesetzt. Bisher habe es insgesamt 14 Straftaten und Ordnungswidrigkeiten gegeben, teilte die Polizei weiter mit. Darunter seien fünf 5 Körperverletzungsdelikte, hieß es.

Andere Fastnachts- und Karnevalszüge

Neben dem großen Zug in Mainz gibt es noch eine Reihe kleinerer Züge in anderen Städten. Dabei wird außer „Helau“ auch „Alaaf“ gerufen. Um 12.11 setzten sich die Züge in Koblenz und Trier in Bewegung, Mayen folgte eine Stunde später. Um 14.11 Uhr ging es dann in einer Reihe von Städten los: Gerolstein, Traben-Trarbach, Altrip, Neuwied, Andernach, Bendorf und Cochem.

In Trier und in Koblenz feierten viele Tausend Narren und Närrinnen beim Rosenmontagszug den Höhepunkt des Straßenkarnevals. Der Zug in Trier mit um die 90 Gruppen und Wagen mit fast 1700 Teilnehmern ging über gut knapp sechs Kilometer quer durch die Innenstadt. Kostümierte säumten bei trockenem Wetter und Temperaturen um die acht Grad die Straße und riefen „Helau!“. Das Motto des Zugs hieß „Gäggisch wie nie unnerm Säulenmarie!“

Mit ihrem traditionellen Ruf „Olau“ jubelten viele Tausend Narren und Närrinnen dem Rosenmontagszug in Koblenz zu. In bunten Kostümen säumten sie die rund vier Kilometer lange Strecke des Umzugs, der in diesem Jahr im Zeichen des Jubiläums unter dem Motto „200 Jahre Kowelenz Olau“ stand.

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