Solarbranche in der Krise: „Die deutschen Hersteller können diesem Preisverfall nicht standhalten“

Photovoltaik war angesagt, aber jetzt kämpft die Branche mit der Unlust der Kunden und Billigimporten aus China. Peter Knuth, Chef des Solarunternehmens Enerix weiß, wie die Regierung Impulse geben könnte – auch ohne viel Geld auszugeben. 

 

Herr Knuth, Sie sind kein Hersteller, Sie haben ein Franchise für Solar-Installation mitgegründet. Sie sind sind unmittlelbar am Kunden.  Die Solarbranche hat Bombenjahre hinter sich und jetzt reden Sie von einer Krise. Wo kommt die Krise her?

Durch den Ukraine-Krieg und die Strompreiserhöhungen haben wir in den letzten zwei Jahren einen Boom erlebt. 2022 ist die Nachfrage extrem nach oben gesprungen und damit auch die Verkaufs- und Installationszahlen. Das waren 2022 ungefähr 7,5 Gigawatt. Dieser Rekord wurde dann im letzten Jahr mit 14,3 Gigawatt noch einmal fast verdoppelt. Nun gerät die Energiewende ins Stocken, die Nachfrage geht zurück. Das hat mehrere Gründe: Die Angst vor einer unsicheren Energieversorgung ist wieder verschwunden und die Energiepreise sind wieder gefallen. Auf der anderen Seite sind die Finanzierungszinsen von unter einem auf fast fünf Prozent gestiegen und das Hickhack bei den Förderungen hat die Verbraucher zusätzlich verunsichert. Zum Jahreswechsel 2022 auf 2023 waren unsere Auftragsbücher voll. Da hatten wir einen Vorlauf von mehreren Monaten, bis wir unsere Kunden bedienen konnten. Jetzt sind es nur noch wenige Wochen. Die aktuelle Nachfrage ist auf dem Stand von Anfang 2021.

Sinkt die Nachfrage weiter, kann die Branche die Ausbauziele nicht halten?

Mit der sinkenden Nachfrage haben natürlich nicht nur die Installationsbetriebe zu kämpfen. Der sinkenden Nachfrage steht eine Überproduktion bei den Modulen, besonders aus China gegenüber. Die Preisspirale hat sich seit Mitte 2023 schnell nach unten bewegt und die europäischen Hersteller leiden darunter. Wenn seitens der Politik nicht schnell was unternommen wird, wird es bald keine heimische Modulproduktion mehr geben. Der günstigste Preis, den ich in den letzten Wochen für ein Modul aus chinesischer Produktion gehört habe, lag bei 8 Cent je Watt. Ein Modul aus deutscher Produktion liegt bei über 20 Cent, teilweise sogar über 40 Cent pro Watt. 

Solar Ziegel20h

Ich rechne das mal um. Sie sagen, ein Modul mit 400 Watt Kapazität aus China kostet derzeit 32 Euro, eines aus Deutschland 160 Euro – das ist fünfmal so viel. Vor wenigen Jahren kosteten derartige Panels noch über 300 Euro.

Ja, die 32 Euro sind allerdings ein absoluter Dumpingpreis und über die Qualität kann ich keine Aussage machen. Die deutschen Hersteller können diesem Preisverfall nicht standhalten. Die gesamte Branche greift mehr und mehr auf Chinaware zurück, also wird es mittelfristig keine Produktion in Deutschland mehr geben. Ein großer Modulhersteller, mit dem wir über Jahre sehr eng zusammenarbeiten, ist die Firma Solarwatt aus Dresden. Diese hat wie die Firma Meyer & Burger angekündigt, dass sie bis Mitte des Jahres entscheiden will, ob sie die Photovoltaik-Produktion stilllegen wird, wenn seitens der Regierung hier nicht der chinesischen Materialflut Einhalt geboten wird.

Das ist ein extremer Preisverfall. Auch für den Endkonsumenten bewegen sich die Preise für ein 400-Watt-Panel auf 60 Euro zu. Ist das die berüchtigte China-Subvention, vor der immer gewarnt wird?

Der Dumpingpreis kommt nicht unbedingt beim Verbraucher an. Oftmals bleiben diese Gewinne bei den Installateuren hängen. Aus diesem Grund sind auch verschiedene Solar-Startups gegen die Einführung eines Resilienzbonus. 

Peter Knuth ist Mitbegründer von Enerix, dem ersten deutschen Franchisesystem in der Photovoltaikbranche.

Aber selbst die Chinesen können zu diesem Preis nicht herstellen. Die kaufen ihre Materialien zum Teil auch auf dem Weltmarkt ein. Mit der aktuellen Situation hat aber niemand so schnell gerechnet. Jeder Marktteilnehmer war auf Marktwachstum eingestellt. China hat seine Produktion angeworfen und das Material nach Europa geschickt. Jetzt liegen die Module in Rotterdam und die Nachfrage ist zurückgegangen. Jetzt liegen dort 60- bis 100-Gigawatt-Module herum und werden zu absoluten Dumpingpreisen verkauft, damit sich die Lager leeren.

Die müssen schnell raus, denn auch Solartechnik altert wegen des rasanten technischen Fortschritts.

Ja, das sind keine Spitzenmodelle, die da so verkauft werden, sondern das sind vielleicht eher die, die mal aus dem Lager rauskommen müssen. Die Module machen etwa 20 Prozent der Gesamtkosten einer PV-Anlage aus. Wenn wir für den vier- bis fünffachen Preis einkaufen, geht das immer zu Lasten des Installateurs. Der Endkunde sieht nur den Endpreis für eine Gesamtanlage. In der Branche haben wir keine Markenbildung. Bei der Heizung würden sich viele Kunden keine chinesische Heizung in den Keller stellen. Für einen angesehenen Namen sind die Kunden bereit, mehr zu zahlen – bei der Heizung.

China Solar 9.24 Uhr

Der Glanz der großen Marke fehlt bei den Solarmodulen, doch sind die China-Panel überhaupt schlechter?

Nein. Man muss leider zugeben, die Photovoltaik-Technik aus China ist bei den renommierten Herstellern nicht wirklich schlechter. 

Nicht schlechter, aber deutlich billiger. Wie soll die Politik das Dilemma lösen?

Eine Maßnahme reicht sicher nicht aus. Es gibt viele Baustellen für die Politik. Nehmen wir deutsche Hersteller. Sie kaufen Komponenten auf dem Weltmarkt ein. Die Einzelteile unterliegen einem Einfuhrzoll. Wenn ich aber ein komplettes Modul nach Deutschland bringe, dann nicht. Es ist derzeit wirtschaftlich sinnvoller, im Ausland zu produzieren.

Module sind ein wichtiger Bestandteil einer Photovoltaik-Anlage. Wie sieht es bei den Stromspeichern aus?

Bei den Stromspeichern sieht es aktuell anders aus, hier können deutsche Hersteller noch mithalten. Aber auch hier erkennt man einen Trend, dass immer mehr chinesische Hersteller in den Markt drängen. Technisch gesehen sind die Produkte aus Fernost top und können ebenfalls sehr günstig eingekauft werden. Manchmal kann man die Vermutung haben, dass die Preise bewusst so tief angesetzt werden, um deutsche Hersteller vom Markt zu verdrängen. Wenn wir das Feld komplett den asiatischen Herstellern überlassen, machen wir uns langfristig komplett abhängig, was das Thema Energiewende angeht. Für uns Installateure ist es eigentlich egal, woher die Ware kommt, denn die Marge bleibt nahezu gleich. 

Die Rede ist davon, dass Anlagen aus heimischer Produktion stärker vergütet werden.

Das Thema Resilienz-Bonus ist derzeit in aller Munde. Eine Anlage, die vorrangig mit deutschen Komponenten gebaut wird, soll eine höhere Einspeisevergütung erhalten. Das könnte ein symbolischer Anreiz für den privaten Endkunden sein, auch wenn der Energieanteil, der ins Netz eingespeist wird, im privaten Bereich nur bei rund 20 Prozent liegt. 

Sie sagen, die Politik muss sich etwas einfallen lassen, damit wir eine Produktion in der EU behalten. Das allein sorgt aber nicht für eine Nachfrage.

Was wir in der Gesamtbranche benötigen, sind Impulse seitens der Politik. 

In den Jahren zuvor gab es die Impulse von allein – ganz ohne Zutun der Politik.

2022 waren es die hohen Strompreise, das wurde dann noch mal verschärft durch den Überfall auf die Ukraine. Und ich möchte natürlich nicht, dass irgendwelche weiteren Krisen entstehen, doch Impulse brauchen wir. Und zwar sofort. Jetzt sind wir noch in der Winterpause, der Solarmarkt startet im März und April, wenn die Hausbesitzer in den Garten gehen und sehen, dass die Sonne scheint. Ein Problem sind die hohen Zinsen. Da könnte die Politik ansetzen. Als das erste EEG in Kraft gesetzt wurde, hat die Regierung auch eine günstige Finanzierung angeboten. Das war das 100.000-Dächer-Programm. Damals lag der Bauzins zwischen vier und fünf Prozent und für Photovoltaikanlagen gab es einen KfW-Kredit von 1,9 Prozent. 

PV Blatt 20.18

Günstige Zinsen haben den Vorteil, dass sie den Staat nichts bis wenig kosten, weil er sich günstig refinanzieren kann.

Ja, ein Solarkredit würde den Steuerzahler nichts oder nur sehr wenig kosten, trotzdem wäre der gewünschte Effekt vorhanden. Zudem fragt sich jeder private Anlagenbetreiber, warum man für die eingespeiste Kilowattstunde nur 8,12 Cent (seit 1. Februar) erhält, wenn man dagegen über 30 Cent für die gekaufte Kilowattstunde zahlt. In verschiedenen Ländern läuft der Stromzähler beispielsweise bei der Netzeinspeisung einfach rückwärts.

Oder man baut ein Vergütungssystem, das von der eingespeisten Menge abhängig ist. Für die ersten 1000 Kilowattstunden gibt es eine höhere Vergütung als für die weiteren eingespeisten Kilowattstunden. Das hätte den Vorteil, dass weiterhin die Eigenversorgung im Vordergrund steht. Alles immer gekoppelt mit einem Resilienzbonus.

Auch hier hätte man einen starken psychologischen Anreiz, bei begrenzten Kosten.

Ja. Ein weiteres besonders interessantes Modell gibt es mit den Energiegemeinschaften in Österreich. Die Energiegemeinschaften sind regionale Zusammenschlüsse von Stromverbrauchern und -produzenten, die sich über einen Verein organisieren. Ein Nachbar produziert und ein anderer verbraucht den Strom. Selbst kleine Photovoltaikanlagen auf Einfamilienhäusern geben dort ihren Reststrom an die Gemeinschaft ab. Der Verbraucher kauft den Strom aus der Gemeinschaft, zahlt weniger als vom Energieversorger und der Solaranlagenbetreiber erhält eine attraktive Vergütung. Das ist für beide Parteien ein psychologischer Anreiz, wie beim Kauf regionaler Produkte. Die Menschen wollen lieber den Strom vom Nachbarn als von einem Energiekonzern. 

„Dorfstrom“ – da benötigt man keine große Marketingagentur, um dafür zu werben. Derzeit gibt es so etwas in Deutschland aber nicht?

Noch nicht, bis Ende des Jahres soll die EU-Vorgabe in einem Landesgesetz umgesetzt werden. Da erhoffen wir uns tatsächlich einen größeren Impuls. Der auch den Bundeshaushalt nicht belastet.

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