Prozess in Dresden: Rechtstreit um Persönlichkeitsrechte auf Honig-Glas: Kein süßes Ende für Jan Böhmermann

Jan Böhmermann hatte gegen einen sächsischen Imker geklagt, der das Gesicht des TV-Moderators und Satirikers auf Honig-Gläser druckte. Jetzt fiel in Dresden das Urteil

Es ist ja schon verwunderlich: Da trägt eine Richterin fast eine Stunde lang ein staubtrockenes Urteil vor, in einem juristischen Fachjargon, den selbst erfahrene Rechtsexperten nicht mehr verstehen. Sie spricht dabei in breitem Sächsisch in ein Mikrofon, das das Gesagte mit einem nervtötenden Fiepen untermalt – und der Saal ist trotzdem gerappelt voll. Nur eine Schulklasse geht nach der Hälfte der Urteilsverkündung raus. Die Kids hatten sich den Termin wohl spannender vorgestellt, immerhin war Jan Böhmermann einer der Verfahrensbeteiligten. Anwesend war der Fernsehmoderator allerdings nicht an diesem Donnerstag in Dresden. Und auch die Gegenpartei blieb dem Termin fern, die Bio-Imkerei „MyHoney“ aus Dresden.Olli_Schulz 08:19

Die Imker hatten im Vorfeld alles dafür getan, sich in diesem Prozess als kleiner David zu inszenieren, der gegen den großen TV-Goliath in die Schlacht zieht. Man habe ja eh keine Chance gegen Böhmermanns Anwälte, hatte Imker Rico Heinzig vorher gesagt. Ohne Vorwarnung hätte der TV-Moderar sein Unternehmen in die Öffentlichkeit gezerrt, so der Imker. Jan Böhmermann hatte in seiner Sendung „ZDF Magazin Royale“ im November 2023 die Geschäftspraktiken von „MyHoney“ und anderen Imkern angeprangert. Diese Firmen würden Bienenvölker vermieten. Zum Beispiel an Hotels, die dann damit werben, etwas für den Artenschutz zu tun. Dabei seien Honigbienen gar nicht bedroht, sondern nur Wildbienen, kritisierte Böhmermann in seiner Sendung – die ganze Aktion sei nur PR und Geldmacherei, eben „Beewashing“, angelehnt an den bekannten Vorwurf des Greenwashing. Imker Rico Heinzig war in der Sendung zu sehen.

Böhmernann gegen Imker: ein satirischer Gegenschlag

Als Reaktion auf die Vorwürfe des Moderators brachte die Bio-Imkerei einen neuen Honig auf den Markt. Name: „Beewashing Honey“ oder „Böhmermann-Honig“. Diesen bewarb sie auf einem Plakat mit einem montierten Bild, in dem Böhmermann den Honig in die Kamera hält. Daneben der Spruch: „Führender Bienen– und Käferexperte empfiehlt“. Dagegen klagte Böhmermann. Er forderte einen Anteil am Gewinn der verkauften Gläser, schließlich habe die Imkerei mit seinem Gesicht geworben. Außerdem verlangte er, dass der weitere Verkauf des Honigs eingestellt werden solle.

Vor Gericht ging es nun also um ein paar Gläser Honig, sowie einige weit über den Fall hinausreichende Fragen des Medienrechts. Das Gericht musste vor allem entscheiden, was schwerer wiegt: Das Persönlichkeitsrecht von Böhmermann oder die Meinungsfreiheit. Und ob sich eine Firma, die Werbung macht, überhaupt auf den Satireschutz berufen kann. In der Vergangenheit gab es ähnliche Fälle: Sixt warb ab 2014 immer wieder mit einem Plakat, auf dem Gewerkschaftsboss Claus Weselsky zu sehen war. Weselsky brach schon so manchen Bahnstreik vom Zaun, weshalb ihn die Autovermietung auf Plakaten zum „Mitarbeiter des Monats“ kürte. Weselsky sah darin eine rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung. 

Er klagte auf Unterlassung und die Zahlung einer Lizenzgebühr. Zu Unrecht, wie damals die Richter entschieden. Ein anderer Fall: Dieter Bohlen gegen Lucky Strike. Der Poptitan verklagte den Zigarettenhersteller, da dieser auf Plakaten schrieb: „Schau mal, lieber Dieter, so einfach schreibt man super Bücher“, und damit auf ein 2003 erschienenes Buch Bohlens anspielten, das nach Klagen Prominenter mit einigen geschwärzten Passagen erschien. Auch Dieter Bohlen verlor den Prozess.

Böhmermann gehe selbst „bis an die Grenzen des rechtlich Möglichen“

Und so war es dann gar nicht verwunderlich, dass auch Böhmermanns Klage in Dresden abgewiesen wurde. Das Gericht wies seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück. Richterin Heike Kemz begründete das so: Böhmermann habe zwar grundsätzlich ein Recht auf sein eigenes Bild, auch als öffentliche Person. Allerdings wäre die Verwendung des Bildes von Böhmermann als Werbung für den Honig erlaubt, auch ohne Böhmermanns Zustimmung. Denn es handelt sich um ein öffentliches Ereignis. Diese Regelung greift, wenn bestimmte Ereignisse von öffentlichem Interesse sind. Wenn jemand beispielsweise auf einer Demonstration mitläuft, ist er Teil eines zeitgeschichtlichem Ereignisses und hat kein Recht mehr, etwa einem Fernsehsender zu verbieten, ein Bild von ihm auf der Demonstration zu senden. So entschied das Gericht auch hier: 

Böhmermann habe mit seiner Sendung selbst das Thema der Bienen in die Öffentlichkeit getragen und dabei Kritik an den Geschäftspraktiken von Rico Heinzig und seiner Imkerei geübt. Böhmermann gehe mit seiner Kritik und Überzeichnung selbst „bis an die Grenzen des rechtlich Möglichen“, so Kemz. Dass nun Personen, die von Böhmermanns Kritik betroffen seien, sich wehren, ginge in Ordnung. Mit anderen Worten: Wer austeilt, muss auch einstecken können. Die Aktion sei „ein satirischer Gegenschlag“ gewesen, sagte die Richterin. Auch dem Imker würde das vom Grundgesetz geschützte Recht der freien Meinungsäußerung zustehen, so das Gericht.

Böhmermann und die Bienen19.50

Der „Beewashing“-Honig verkauft sich bestens

Dann beginnt die Richterin noch, Jan Böhmermann das Wesen der Satire zu erklären: Sie sei mal spöttisch, mal lustig. Sie würde die Wirklichkeit verfremden. Die Imkerei hatte mit einem Plakat für den Kauf des Honigs geworben. In einem Edeka war es aufgestellt. Es sei aber nicht davon auszugehen, dass die Menschen wirklich glaubten, Böhmermann würde für diesen Honig werben, führte die Richterin aus. Es bestünde daher kein schutzwürdiges Interesse.

Sollte das Urteil rechtswirksam werden, müsste Böhmermann die Kosten des Verfahrens tragen. Es wird aber erwartet, dass der Fernsehmoderator das Urteil anfechtet. Dann würde der Prozess in die nächste Instanz und somit vor das Oberlandesgericht Dresden gehen. Zumindest bis dahin könnte „MyHoney“ nun aber den Verkauf seines Böhmermann-Honigs fortsetzen. Die Imker hatten allerdings schon vor einigen Tagen den „Beewashing-Honig“ aus dem Programm genommen. Die Mitarbeiter hatten neue Labels auf die Gläser geklebt, neuer Name: „Cancel Culture Honey“. Auf dem neuen Etikett ist das Gesicht von Böhmermann durch weiße Striche verdeckt. Da Böhmermann im Gegensatz zum „Beewashing Honey“ wohl kaum gegen diesen neuen Honig klagen kann, wird „MyHoney“ diesen Honig verkaufen können, ohne zu fürchten, dass das Oberlandesgericht dann doch anders entscheidet.

Der Honig würde sich seit dem Gerichtsprozess auch sehr gut verkaufen, gibt das Unternehmen zu Protokoll. Die bittersüße David-gegen-Goliath-Posse, sie zahlt sich wohl aus für die Imker aus Sachsen.

Verwandte Beiträge