Nach dem Beinahe-Unglück mit einer Boeing 737-9 Max bestätigen erste Ermittlungen Vermutungen, dass Befestigungsteile nicht nur locker saßen, sondern komplett fehlten. Der Druck auf Boeing steigt. Auch weil jüngst weitere Probleme auftraten.
An dem jüngst herausgerissenen Rumpfteil einer Boeing 737-9 Max fehlten nach Erkenntnissen von US-Unfallermittlern zwingend vorgesehene Befestigungsteile. Der Zustand des Fragments und der anliegenden Rumpfelemente weise auf das Fehlen von vier Bolzen in einem Sicherungsmechanismus hin, teilte die Ermittlungsbehörde NTSB in einem vorläufigen Bericht am Dienstag mit. Die Bolzen sollen eigentlich sicherstellen, dass sich das Rumpfteil nicht nach oben bewegen kann.
Die Feststellung der Ermittler dürfte den Druck auf Boeing verstärken, die Qualitätskontrollen drastisch zu verbessern. Offizielle Schlussfolgerungen zur Ursache des dramatischen Zwischenfalls hat die NTSB bislang nicht gezogen.
Zwischenfall bei Boeing: 170 Menschen an Bord des Fluges
Bei der so gut wie neuen 737-9 Max von Alaska Airlines mit mehr als 170 Menschen an Bord war am 5. Januar kurz nach dem Start im Steigflug ein Rumpfteil an der Sitzreihe 26 herausgebrochen. An dieser Stelle haben manche Konfigurationen des Typs mit mehr Sitzen eine Tür. Die betroffene Variante der 737-9 Max hat stattdessen eine Abdeckung, die die Öffnung verschließt. Bei dem Zwischenfall wurde niemand ernsthaft verletzt – durch einen glücklichen Zufall waren allerdings die beiden Plätze direkt an der Öffnung leer geblieben.
Die US-Luftfahrtaufsicht FAA und andere Behörden hatten nach dem Zwischenfall angeordnet, alle rund 170 ähnlichen Flugzeuge des Typs für Untersuchungen am Boden zu lassen. Alaska und United Airlines fanden auch bei anderen Maschinen lose Befestigungsteile an der Stelle. Erst Ende Januar gab die FAA das Verfahren für Inspektionen frei, nach denen die Flugzeuge wieder starten durften. Bei EU-Fluggesellschaften sind keine Maschinen des betroffenen Modells im Einsatz.
CAPITAL So steht es um Boeing11.57
Die FAA kündigte nach dem Vorfall verschärfte Kontrollen bei Boeing an – und auch einige Airlines wollen eigene Prüfer auf die Produktionslinien schicken. Boeing-Chef Dave Calhoun bekräftigte nach dem vorläufigen NTSB-Bericht, dass der Konzern letztlich die Verantwortung für die Flugzeuge trage. „Wie auch immer die endgültigen Schlussfolgerungen ausfallen werden, Boeing ist verantwortlich für das, was passiert ist. Ein Vorfall wie dieser darf in einem Flugzeug, das unser Werk verlässt, nicht passieren“, sagte Boeing-Chef Dave Calhoun nach der Veröffentlichung der Ergebnisse.
Boeing versicherte auch, dass die Qualitätsaufsicht sofort verbessert werde. „Wir werden uns die Änderungen ansehen, die wir in unseren Fabriken und an anderen Stellen rund um den bereits vorgenommen haben“, sagte Doug Ackerman, Vizepräsident für Lieferantenqualität bei Boeing Commercial Airplanes, am Dienstag (Ortszeit) auf einer Konferenz nahe Seattle. Die FAA hatte Boeing den geplanten Ausbau der 737-Produktion untersagt – der Konzern solle zunächst die Probleme in den Griff kriegen, so die Anweisung.
Boeing: Weitere Probleme bei noch nicht ausgelieferten Maschinen
Der Rumpf der 737-Modelle wird vom Zulieferer Spirit Aerosystems gebaut und danach zur abschließenden Montage an Boeing weitergegeben. Nach Erkenntnissen der NTSB wurde das Rumpf-Fragment bei Boeing für Nacharbeiten gelöst. Auf einem Boeing-Foto ist das montierte Bauteil ohne die Bolzen zu sehen. Den Ermittlern zufolge deuten zudem fehlende Schäden an den Halterungen der Bolzen darauf hin, dass diese auch im Flug fehlten.
Erst am Montag war bekannt geworden, dass bei bis zu 50 noch nicht ausgelieferten Maschinen vom Typ 737 MAX weitere Qualitätsmängel aufgefallen sind. Ein Mitarbeiter des Zulieferers Spirit Aerosystems habe zwei nicht genau gebohrte Löcher an einem Fensterrahmen am Rumpf gemeldet, schrieb der für das Geschäft mit Verkehrsflugzeugen zuständige Boeing-Manager Stan Deal an die Belegschaft. Der Brief lag Reuters zunächst exklusiv vor, später bestätigte Boeing die Probleme. „Auch wenn das kein unmittelbar sicherheitsrelevantes Thema ist und alle 737s sicher betrieben werden können, glauben wir, dass bei etwa 50 nicht ausgelieferten Flugzeugen Nachbesserungen nötig sind“, heißt es in dem Brief. Das könnte die Produktion zumindest für einige Tage bremsen.