Ob Donald Trump für Verfehlungen als US-Präsident zur Rechenschaft gezogen werden kann, muss das Verfassungsgericht entscheiden. Dessen Art zu urteilen aber zeigt: Der Supreme Court wird ihn in Ruhe lassen, selbst ohne ihm Recht geben zu müssen.
Das Duell Jack Smith vs. Donald Trump kann beginnen. Den Weg dafür freigemacht hat ein Gericht in Washington, die Berufungsrichter urteilten, dass der frühere US-Präsident als Staatschef nicht zwingend Immunität genieße. Das heißt, Trump darf für mögliche Verfehlungen angeklagt werden. Wie zum Beispiel bei Wahlmanipulation, derer er in der US-Hauptstadt angeklagt ist. Nach der jetzigen Entscheidung dürften die Ankläger, allen voran Jack Smith, nun den Prozess vorbereiten. Doch der wird so schnell nicht beginnen – frühestens nach der Präsidentschaftswahl im November.
Donald Trump geht in Berufung
Denn bevor das Urteil in Kraft tritt, werden noch die obersten US-Richter einen Blick darauf werfen. Die Trump-Anwälte haben rund eine Woche Zeit, am Verfassungsgericht Berufung einzulegen. Was sie ziemlich sicher tun werden. Nicht nur aus inhaltlichen Gründen, sondern vor allem aus formalen: Denn die bisherige Rechtsprechung des Supreme Court legt die Annahme nahe, dass das mehrheitlich konservative Richtergremium mit ihrem Urteil die Präsidentschaftswahl nicht beeinflussen will – ganz unabhängig davon, ob es letztlich im Sinne Smiths oder im Sinne Trumps ausfällt.
Als Trump noch Chef im Weißen Haus war, hatte er die Gelegenheit, gleich drei neue Verfassungsrichter ernennen zu können. Er nutzte sie und schickte drei erzkonservative Juristen an den Supreme Court: Neil Gorsuch, Brett Kavanaugh, Amy Coney Barrett. Neben ihrer politischen Nähe zum rechten Republikanerflügel eint sie die Rechtsauffassung des sogenannten Originalismus. Ein wichtiger Punkt dieser Denkrichtung ist: Nicht Richter gestalten Gesetze, sondern die demokratisch legitimierten Gesetzgeber. Im besten Fall auf Bundesstaatenebene.
Supreme Court: Alle Macht den Bundesstaaten
Was das konkret bedeutet, war beim Grundsatzurteil über Abtreibung im Sommer 2022 zu beobachten. Die Verfassungsrichter überantworteten damals den einzelnen Bundesstaaten die Entscheidung darüber, ob ein Schwangerschaftsabbruch legal ist oder eben nicht.Seitdem entscheiden die gewählten Abgeordneten per Gesetzgebung darüber.
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Auf ähnliche Weise dürften sie auch über die Berufung des Trump-Teams zur Präsidentenimmunität befinden. Dazu könnten sich die Richter zwei Möglichkeiten bedienen, die sich beide nicht ausschließen, aber beide zur Folge hätten, dass zwei Prozesse weniger auf Donald Trumps Agenda stünden:
Möglichkeit eins: Die Richter lehnen Trumps Eingabe ab und bitten den Gesetzgeber darum, zu klären, ob und unter welchen Umständen ein US-Präsident Immunität genießt. In dem Fall wären das das Repräsentantenhaus und der Senat. Bis sich beide Kammern geeinigt haben, dürfte noch viel Wasser den Potomac River herabfließen. Ganz abgesehen davon, dass eine republikanische Mehrheit in nur einem der Parlamente ausreicht, um schärfere Vorgaben verhindern zu können.Möglichkeit zwei: Um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, am Bürger vorbei das Schicksal von Präsidentschaftskandidaten zu beeinflussen, verschiebt der Supreme Court seinen Spruch auf einen Zeitpunkt nach der Wahl. Das wäre auch deshalb wahrscheinlich, weil die Frage nach Präsidentenimmunität hochkomplex ist und es durchaus Gründe gibt, das US-Staatsoberhaupt nicht für alle seine Entscheidungen in Haftung zu nehmen. Etwa bei Kriegs- und Militäreinsätzen.
NEU FS Trumps juristische Probleme 16.07
Natürlich ist auch denkbar, dass die obersten Richter erst ihre Entscheidung vertagen, um sie dann an den Gesetzgeber zu delegieren. Und sogar die Aufhebung der Präsidentenimmunität wäre im Sinne des Originalismus. Denn allzu weitreichende Präsidentenbefugnisse waren den Gründungsvätern ein Dorn im Auge.
Dennoch: So bald wird sich Donald Trump nicht für seine Entscheidungen verantworten müssen.