Sondervermögen, Solidaritätszuschlag, Dynamisierungspaket, Staatsfonds – in der Ampel sprudeln die Ideen zur Entlastung von Firmen. Ein Konzept ist noch nicht zu sehen.
Bundesfinanzminister Christian Lindner will zusammen mit Wirtschaftsminister Robert Habeck daran arbeiten, die deutschen Unternehmen wettbewerbsfähiger zu machen.
Lindner lehnte zwar erneut den Vorschlag seines Kabinettskollegen ab, ein milliardenschweres Sondervermögen zur Entlastung der Firmen aufzulegen. Im ARD-„Bericht aus Berlin“ sagte der FDP-Politiker am Sonntagabend: „Wegen mir hätte es diese Rede im Bundestag nicht geben müssen. Das hätten wir auch anders miteinander besprechen können. Jetzt ist diese Debatte aber da. Und jetzt machen wir was Konstruktives draus.“
Wenn der Wirtschafts- und der Finanzminister meinten, es müsse sich etwas an der Wirtschaftspolitik ändern, „dann muss das jetzt konkrete Konsequenzen für die Bundesregierung und für die Koalition haben“, machte Lindner deutlich. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte in Berlin, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nehme die Wortmeldungen aufmerksam zur Kenntnis. Die Regierung sei bestrebt, eine wettbewerbsfähige Wirtschaft in Deutschland zu haben und habe dazu auch eine Reihe von Initiativen auf den Weg gebracht.
Wirtschaftsminister Habeck (Grüne) hatte am Donnerstag im Bundestag ein Sondervermögen ins Spiel gebracht, um strukturelle Probleme zu lösen. Er nannte etwa die Möglichkeit, Steuergutschriften und steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten zu schaffen. Lindner lehnte ein Sondervermögen ab, es bedeute neue Schulden.
Komplett-Abschaffung des Soli umstritten
Der Finanzminister sprach vielmehr von einem „Dynamisierungspaket“, das die Bereiche Arbeitsmarkt, Klimaschutz, Energiepreise, Bürokratie und Steuern umfasse. Wenn man wirklich etwas an den Steuern machen wolle, dann wäre der einfachste und schnellste Weg, den Solidaritätszuschlag für Unternehmen zu streichen. Das hätte auch den Vorteil, dass Länder und Gemeinden nicht belastet würden. Man müsse dann aber über die Gegenfinanzierung miteinander sprechen.
Der Soli wurde 1991 – ein Jahr nach der deutschen Einheit – eingeführt und sollte den wirtschaftlichen Aufbau in den neuen Ländern mitfinanzieren. Er wurde bis 2020 als Zusatzabgabe von 5,5 Prozent auf die Einkommens- und Körperschaftssteuer erhoben, um die Lasten der Wiedervereinigung zu finanzieren. Seit 2021 müssen ihn nur noch Spitzenverdiener und Körperschaften zahlen. Im vergangenen Jahr erbrachte der Soli dem Bund Einnahmen von rund zwölf Milliarden Euro.
Habeck zeigte sich mit Blick auf den Soli-Vorschlag skeptisch. Den Soli ganz zu streichen würde das Haushaltsloch vergrößern, sagte der Vizekanzler in der ARD-Sendung „Caren Miosga“. Auch die beiden Vorsitzenden von SPD und Grünen, Saskia Esken und Ricarda Lang, lehnten den Lindner-Vorstoß ab.
Der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, begrüßte dagegen den Soli-Vorstoß von Lindner. „Überfällig ist die Abschaffung des Rest-Solis, der im Grund eine verkappte Unternehmenssteuer ist“, sagte Hüther der „Rheinischen Post“. Deutschland sei schon lange ein Hochsteuerland. Hüther forderte zudem eine Reform der Körperschaftsteuer, um ein international wettbewerbsfähiges Steuerniveau zu erreichen. „Eine schrittweise Senkung der Steuer um zum Beispiel fünf Prozentpunkte über fünf Jahre wäre auch bei Einhaltung der Schuldenbremse möglich und würde die privaten Investitionen deutlich steigern“, schlug der IW-Chef vor.
„Einladung“ zu Debatte über Entlastung von Unternehmen
Habeck bekräftigte seine Analyse, dass die deutsche Wirtschaft eine Investitionsschwäche habe und die Steuerlast für viele Firmen höher als im internationalen Wettbewerb sei. Der Grünen-Politiker verwies auf das Wachstumschancengesetz der Regierung. Dieses hat die Hürde Bundesrat bislang nicht genommen. In den Ländern gibt es Bedenken. Habeck sprach von einem Entlastungsvolumen von acht Milliarden Euro und der Gefahr, dass es wegen des Streits mit den Ländern nur „homöopathische“ Entlastungen geben werde. Alle Experten sagten, das sei viel zu wenig. Zu seinem Vorstoß im Bundestag sagte der Vizekanzler: „Das ist eine Einladung“, um über die Entlastung der Wirtschaft zu reden.
Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Verena Hubertz brachte einen Staatsfonds ins Gespräch, um mehr investieren zu können. Sie halte es für wichtig, neue Wege zu prüfen, die zwischen Steuern erhöhen und Schulden machen lägen, sagte sie im Deutschlandfunk. „Und deswegen haben wir uns als SPD – sowohl als Fraktion als auch als Partei – für einen Staatsfonds, also einen sogenannten Deutschlandfonds, ausgesprochen, der auch noch mal massiv privates Kapital über eine Kapitalsammelstelle heben kann.“ Das sei etwas ganz Neues, sagte Hubertz. So könne in die Infrastruktur investiert werden.
„Planloses Wirrwarr über Reform der Unternehmensbesteuerung“
Der finanz- und haushaltspolitische Sprecher der CSU im Bundestag, Sebastian Brehm, warf der Koalition verwirrende Signale in der Unternehmensteuerdiskussion vor. Brehm sagte in Berlin: „Wir erleben jetzt seit Tagen wieder einmal ein planloses Wirrwarr an unabgestimmten und nicht zu Ende gedachten öffentlichen Äußerungen über eine Reform der Unternehmensbesteuerung.“ Vorschläge der Union dazu lägen seit langem auf dem Tisch. Brehm nannte es zugleich einen „kleinen Fortschritt“, dass die Ampel-Koalition anerkenne, dass die Unternehmensbesteuerung in Deutschland international nicht mehr wettbewerbsfähig sei.
Die Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT), Gitta Connemann, sagte Welt-TV: „Einmal mehr verstärkt sich der Eindruck des Dauerstreits in der Ampel. Der Wirtschaftsminister spricht nicht mit dem Finanzminister, der Kanzler ist eh verschwunden.“ Die CDU-Bundestagsabgeordnete warnte: „Den Unternehmen steht das Wasser bis zum Hals – die Unternehmen haben keine weiteren zwei Jahre mehr.“