Die Ampel-Koalition will die Wirtschaft in Deutschland entlasten. Doch viele Wege führen nach Rom. Diese Maßnahmen sind derzeit im Gespräch.
Angesichts der lahmenden Wirtschaft haben sich sowohl Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) als auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) für eine Entlastung der Wirtschaft ausgesprochen. Dazu sind verschiedene Möglichkeiten im Gespräch, um Investitionen zu erleichtern. Alle Ideen haben ein gemeinsames Problem: Die Finanzierung ist offen. Die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP denken an unterschiedliche Wege. Wirtschaftsverbände wie BDI und die Stiftung Familienunternehmen untermauern mit Studien Forderungen nach einer Steuerpolitik, die mehr Spielraum für Investitionen schafft. Um die Blockade aufzubrechen, hat Habeck in der ARD am Sonntag gefordert, dass alle Parteien an den Bedarf der Wirtschaft denken und sich nicht an ihren Parteitagsbeschlüssen orientieren sollten. Im Folgenden ein Überblick über die Ausgangslage und die Möglichkeiten.
Steuerentlastung der Wirtschaft
Die wichtigsten Steuern für Unternehmen sind die Körperschaft- und die Gewerbesteuer sowie der Solidaritätszuschlag. „Diese drei Komponenten führen im Durchschnitt zu einer nominalen Steuerbelastung von Kapitalgesellschaften im Jahr 2023 in Höhe von 29,9 Prozent“, fasste das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in einer Studie für die Stiftung Familienunternehmen zusammen. Das seien rund 6,5 Prozentpunkte über dem Durchschnitt der OECD-Länder. Die Körperschaftsteuer wurde zuletzt 2008 von 25 auf 15 Prozent gesenkt. Personengesellschaften unterliegen der Einkommensteuer. Die Studie empfiehlt eine schrittweise Senkung der Körperschaftsteuer. Davon versprechen sich die Autoren eine Ankurbelung von Investitionen und Konsum, mit denen die staatlichen Mindereinnahmen auf längere Sicht wettgemachten.STERN PAID 38_23 Titel Protokolle Ökonomen 12.40
Wachstumschancenpaket
Schon 2023 hat die Bundesregierung ein Wachstumschancenpaket beschlossen, das Unternehmen in der Endstufe um sieben bis acht Milliarden Euro jährlich entlasten soll. Das Paket hängt im Vermittlungsausschuss, weil die Länder es ablehnen, dass sie und die Kommunen mehr als die Hälfte der Steuerausfälle tragen sollen. Am Ende, meinte Habeck am Sonntag, könnte es auf ein Entlastungsvolumen von drei Milliarden Euro hinauslaufen – ein Zehntel dessen, was als Anschub für die Wirtschaft nötig sei. Ein wesentlicher Bestandteil des Pakets dürfte die Einführung einer befristeten, degressiven Abschreibung für neue Investitionen im Wohnungsbau sein. Im Grundsatz besteht dazu Einvernehmen, über die Höhe noch nicht.
Der Wirtschaftsminister brachte am Sonntag ins Gespräch, dass man die geplanten generellen Abschreibungsmöglichkeiten für Investitionen vielleicht noch weiter ausbauen könnte – damit Firmen etwa Kosten für kurzfristige Investitionen in Produktionsanlagen steuerlich besser geltend machen können. Sollte es kurzfristige Hilfen geben, könnte ein Nachtragshaushalt 2024 nötig werden.
Senkung der Unternehmenssteuern
Einige Nachbarstaaten wie Frankreich haben die Unternehmenssteuern auf 25 Prozent abgesenkt. Habeck räumt ein, dass sie im Schnitt in Deutschland bei 30 Prozent lägen. Eine Absenkung auf 25 Prozent würde 30 Milliarden Euro jährlich kosten. Bei SPD und Grünen gilt es als ausgeschlossen, einen solchen Betrag im Bundeshaushalt an anderer Stelle einzusparen. Ein starker Anstieg der Steuereinnahmen könnte helfen. Damit wird aber angesichts der lahmenden Wirtschaft nicht gerechnet.Häfen Europa20.40
Abschaffung des Solidaritätszuschlags
Lindner brachte erneut die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags ins Spiel, was etwa auch Familienunternehmen entlasten würde. Dies lehnen SPD und Grüne aus prinzipiellen Gründen bisher ab. Zudem verweist Habeck darauf, dass hierdurch ebenfalls Finanzierungslücken im Haushalt 2025 entstünden. Die Mindereinnahmen durch eine Soli-Abschaffung wurden früher auf etwa zehn Milliarden Euro geschätzt. Seit 2021 ist der Soli für etwa 90 Prozent der Einkommensteuerzahler abgeschafft. Körperschaften zahlen ihn noch.
Sondervermögen für Investitionen
Habeck hatte vorige Woche erneut einen kreditfinanzierten Sondertopf für Investitionen vorgeschlagen, der sofort von Union und vom Koalitionspartner FDP abgelehnt wurde. Die Ablehnung der oppositionellen Union ist in diesem Fall relevant, weil für einen im Grundgesetz verankerten Fonds – wie es ihn für die Bundeswehr gibt – eine Zweidrittelmehrheit und damit die Zustimmung von CDU und CSU nötig wäre.
Deutschlandfonds für Investitionen
Die SPD hat eine Alternative vorgeschlagen, nämlich einen Deutschlandfonds für Investitionen, der privates Kapital sammelt und der auch Geld etwa von den Pensionskassen, Lebensversicherungen oder der staatlichen Rentenversicherung nutzen können soll. Auch dieser soll aber mit einer staatlichen Anschubfinanzierung gestartet werden. Ob dieses Geld aus dem Haushalt kommen oder dafür ein Kredit aufgenommen werden soll, blieb bisher offen.
Schuldenbremse
SPD und Grüne wollten die Schuldenbremse für 2024 erneut aussetzen, was die FDP abgelehnt hat. Im Hintergrund steht aber immer noch die Option, etwa die Kosten für den Ukraine-Krieg auszulagern. Habeck bezifferte diese Ausgaben am Sonntag auf rund 20 Milliarden Euro jährlich, was dann Spielraum im normalen Etat schaffen würde. Die FDP sieht dies skeptisch. Eine grundlegende Reform der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse lehnen sowohl die Unionsspitzen als auch die FDP bisher ab.