Durch die verheerenden Waldbrände in Chile sind mehr als hundert Menschen ums Leben gekommen. Bei der Gerichtsmedizin seien mittlerweile 112 Tote eingeliefert und 32 von ihnen identifiziert worden, teilte am Sonntag (Ortszeit) Staatssekretär Manuel Monsalve mit. Im ganzen Land kämpfte die Feuerwehr seinen Angaben zufolge immer noch gegen „40 aktive Brände“. Indes durchsuchten Rettungskräfte die vom Flammeninferno in Schutt und Asche gelegten Nachbarschaften.
Zuvor hatte Präsident Gabriel Boric bei einem Besuch in Quilpué westlich der besonders betroffenen Küstenstadt Viña del Mar gewarnt, dass die Zahl der Toten noch erheblich steigen werde. Es handele sich um „die größte Tragödie“ seit dem starken Erdbeben mit mehr als 500 Toten von 2010, sagte Boric bei seinem Besuch in der Region Valparaíso.
Ganze Wohnviertel wurden durch die Flammen zerstört, Autos verbrannten, wie ein Team der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Tausende Bewohner hatten am Freitag mehrere Stunden lang festgesessen, als sie mit dem Auto zu fliehen versuchten. Zehntausende Hektar Wald wurden vernichtet.
Der 24-jährige Abraham Mardones konnte mit seinem Onkel und seinem Hund im letzten Moment aus den Flammen in Viña del Mar fliehen. Mehrere Nachbarn seien ums Leben gekommen, berichtete er AFP. Freunde seien mit einem Lastwagen vorbeigefahren, der die „verbrannten Leichen ihres Bruders, ihres Vaters, ihrer Tochter“ transportierte.
Viña del Mar liegt in der Touristenregion Valparaíso und ist etwa eineinhalb Autostunden von der Hauptstadt Santiago de Chile entfernt. In den Sommermonaten ist es ein beliebter Urlaubsort. Bürgermeisterin Macarena Ripamonti sprach von einer „beispiellosen Katastrophe“. 190 Bewohner würden noch vermisst.
„Hier steht kein einziges Haus mehr“, erzählte die 67-jährige Rentnerin Lilian Rojas, die in der Küstenstadt in der Nähe des Botanischen Gartens wohnte. Das Feuer habe sie binnen weniger Minuten überrascht. „Ich bin rausgegangen, um zu schauen, und die Leute rannten schon. Ich bin raus, habe die Tür zugezogen und bin weg“, sagt sie und zeigt auf ihr rosafarbenes Kleid: „Das ist das einzige, was mir geblieben ist.“
Nach Angaben des nationalen Katastrophenschutzdienst (Senapred) sind bis Sonntag fast 26.000 Hektar Land in zentralen und südlichen Regionen Chiles verbrannt. Etwa 1400 Feuerwehrleute sowie 1300 Militärangehörige und Freiwillige bekämpfen die Flammen. Auch 31 Hubschrauber und Löschflugzeuge sind im Einsatz. Senapred-Chef Álvaro Hormazábal verwies auf dutzende Brände, die noch immer außer Kontrolle seien. Die Wetterbedingungen seien weiter „kompliziert“.
Seit Mittwoch herrschten im Landesinneren und in der Hauptstadt Santiago Temperaturen um 40 Grad. Die Hitze hängt Experten zufolge mit dem Wetterphänomen El Niño zusammen, das durch eine Erwärmung des Oberflächenwassers im Pazifik gekennzeichnet ist und weltweit Auswirkungen hat.
Auch andere Länder in Südamerika sind von Bränden infolge der Dürre betroffen. In Argentinien kämpft die Feuerwehr seit Ende Januar gegen ein riesiges Feuer, das schon mehr als 3000 Hektar Land im Nationalpark Los Alerces zerstört hat. Nach Chile und Kolumbien bedroht die aktuelle Hitzewelle in den kommenden Tagen Argentinien, Paraguay und Brasilien.