Ja, mit Lucy Diakovska wurde eine würdige Dschungelkönigin gefunden. Aber wenn die Sendung Zukunft haben will, muss sich dringend etwas ändern – in der Verfassung verliert das Dschungelcamp zunehmend an Charme.
Fans des Dschungelcamps dürften mit gemischten Gefühlen auf die vergangenen zweieinhalb Wochen blicken. Mit Lucy Diakovska ist zwar eine würdige Königin gekrönt worden, doch vieles von dem, was die Sendung eigentlich besonders macht, fehlte in diesem Jahr.
Seit ein paar Staffeln zeichnet sich ein Trend ab, der dem Konzept Dschungelcamp gefährlich werden könnte: das inflationäre Casting von Reality-Stars. Der Zauber von „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ bestand viele Jahre darin, dass man dort Menschen beobachten konnte, deren einziges Ziel eben gerade nicht die Teilnahme am Dschungelcamp gewesen war. Für die die Show eher ein letztes Aufbäumen vor der völligen Irrelevanz bedeutet hatte. Vor dem Karriereende oder nach der Pleite war die Sendung eine Gelegenheit, sich noch einmal in Erinnerung zu rufen. Oder eine Möglichkeit, um beim Finanzamt ein paar der Zahlungen abstottern zu können.
Zu viele Reality-Stars verwässern das Format
Statt auf der Schauspielbühne, auf einem Konzert oder dem Sportplatz fanden sie sich auf einmal inmitten von Kakerlaken und Feldbetten wieder. Die zum Teil harschen Bedingungen im Dschungel ließen einstudierte Fassaden binnen Tagen bröckeln. So gab es nicht selten Überraschungen, positive wie negative. In Staffel fünf sah man Schauspieler Mathieu Carrière im Clinch mit dem jungen Model Sarah Knappik. Die Zuschauer durften live verfolgen, wie Carrière letztlich den Kürzeren zog und sich unbeliebt machte. Staffel zehn gewann DSDS-Dauerkandidat Menderes Bağcı. Er wurde von der traurigsten Gestalt im Camp zum größten Helden. Ingrid van Bergen erzählte in Staffel vier von ihrer Zeit im Knast und wurde für ihre kratzbürstige, aber auch liebenswürdige Art mit der Krone belohnt.
In diesem Jahr kam Heinz Hoenig diesem Kandidatenprofil am nächsten. Fraglich, ob der Schauspieler je damit gerechnet hatte, sich mit elf anderen Leuten um ein Feldbett zoffen zu müssen. Aber wenn die Karriere eben nicht mehr so läuft, ist das Camp eine willkommene – oder mindestens notwendige – Chance.
Bauerntheater von Kim und Leyla
Die aktuelle Trendwende lässt solche Überraschungsmomente oft nicht mehr zu: Immer mehr Reality-TV-Sternchen ziehen in den Dschungel – und wissen genau, wie sie sich Sendezeit krallen. Bereitwillig lassen sie sich in den Dschungel fallen, kein Hadern, kein Fremdeln. Solange nur eine Kamera draufhält, ist doch alles gut. Man denke nur an Kim Virginia, die in einer Tour über ihre Ex-Affäre Mike Heiter sprach und deshalb sogar einen Streit mit Leyla Lahouar anfing. Das Bauerntheater der zwei Kandidatinnen war so durchschaubar wie albern, selbst ein Felix von Jascheroff musste davon gelangweilt sein. Und der ist immerhin GZSZ-Star und als solcher schale Plots gewohnt. Im Camp durfte er sein Piraten-Open-Air in Grevesmühlen als großes Ding anpreisen.
Intrigen und Lästereien mögen in den einschlägigen Datingshows Wirkung zeigen, im Dschungel war man das Thema am Ende nur noch leid. Allzu oft wirkte es, als hätte man eine x-beliebige Kuppelsendung eingeschaltet und nicht das Dschungelcamp.
Für Reality-Stars wie Leyla oder Kim Virginia ist der Dschungel ein Sprungbrett. Die wohl wichtigste Sendung um TV, um sich einen Namen zu machen und zu weiteren Formaten eingeladen zu werden. Der Ersteinstieg in den ewigen Recyclingkreislauf der Trashformate. Diese Staffel hat jedoch gezeigt, dass zu viel Reality-TV dem Dschungel nicht gut tut. Beim Casting sollte man sich in Zukunft auf die Wurzeln des Formats besinnen. Darauf, dass die größte Dramatik im Camp oft eben erst entsteht, wenn Pläne über den Haufen geworfen werden und Masken fallen.
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